100
und bezwang Paris. Der König von Preußen wurde nach dem einstimmigen
Beschluß der deutschen Fürsten zur Würde eines deutschen Kaivers erhoben
(18. Jänner 1871). Die Franzosen hatten schon während des Krieges die Familie
Bonavarte des Thrones entsetzt und Frankreich zu einer Republik'erklärt.
6) Kaiser Franz Josef J. verleiht österreich eine Verfassung. Der Kaiser
erkannte, daß die unbeschränkte Regierungsform nicht mehr zeitgemäß sei und
beschloß in hochherziger Weise, seine Herrscherrechte mit dem Volke zu teilen.
Er gewährte (in dem Oktoberdiplom vom 20. Oktober 1860 und im
Februarpatent vom 26. Februar 1861) dem Volke Anteil an der Gesetz
gebung; dieses Recht sollte es durch seine frei gewählten Vertreter in den
Landtagen und im Reichsrate ausüben. Ergänzt wurden die grund—
legenden Bestimmungen über die Verfassung durch die Dezember-Gesetze
des Jahres 1867, worin den Staatsbürgern wichtige politische und persönliche
Rechte gewährt werden; in demselben Jahre wurde auch das Verhältnis Öst er—
reichs zu Ungarn geregelt und der Dualismus eingeführt.
Der Dualismus. österreich und Ungarn bvilden die österreichisch—
ungarissche Monarchie und stehen unter der Regierung eines Herrschers,
des Kaisers und Königs Franz Josef J., sie haben ein gemeinsames
Heer und bilden dem Auslande gegenüber einen Staat. Die gemeinsamen
Angelegenheiten werden durch drei Ministerien, das des Auswärtigen, des
Krieges und der Reichsfinanzen besorgt. Als beratende Körperschaft
stehen ihnen die Delegationen zur Seite, deren Mitglieder vom österreichischen
Reichsrate und vom ungarischen Reichstage gewählt werden.
Die Pflichten der Staatsbürger. Jeder österreichische Staats⸗
bürger ist zur Treue und zum Gehorsam gegen Se. Majestät den
Kaifer verpflichtet, jeder Staatsbürger hat ferner den Ges etzen und den An—
ordnungen der Obrigkeit gehorsam zu sein, die Steuern und Abgaben,
die zur Erhaltung des Staates unbedingt notwendig sind, zu zahlen und die
Wehrpflicht zu leisten.
Die Rechte der Staatsbürger. Jeder Staatsbürger, welches Stan—
des, welcher Religion oder Nationalität er auch sei, hat gleichen Ans pruch
auf den Schutz der Gesetze. Eines der wichtigsten Rechte ist das Wahlrecht.
Das Staatsoberhaupt. Das Oberhaupt des Staates ist Se.
Majestät der Kaiser von sterreich, Knig von Böhmen xc. und
apostolischer König von Ungarn. Die Person des Kaisers ist geheiligt,
unverletzlich und unverantwortlich. Er ist der Träger der höchsten Ehren
und der Gegenstand des höchsten Schutzes. Der Kaiser führt den Oberbefehl
über die bewaffnete Macht, erklärt Krieg, schließt Frieden und Verträge mit
auswärtigen Mächten. In Seinem Namen wird Recht gesprochen, er hat das
Begnadigungsrecht. Kein Gesetz ist giltig, bevor es der Kaiser durch Seine
Unterschrift bestätigt (sanktioniert) hat. Die Münzen tragen Sein Bildnis. Er
oerleiht Titel, Orden und andere Auszeichnungen.