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eigene Fürstenthümer. Ueber die Entstehung der Benennung des Landes ist
man nicht einig. Viele leiten es von dem Worte Hall (Salz, an welchem
das Land besonders reich) ab, woraus dieser Meinung nach, Halicz, der
Name der Stadt, und endlich jener des Landes entstand. Nach Anderen )
befand sich am Dnieper ein altes Grab, Galitschina genannt, woher der
Name Galizien abgeleitet worden. Der König von Ungarn, Bela III. und
seine Nachfolger waren ununterbrochen bemüht, Galizien unter ihre Herr⸗
schaft zu bringen, oder wenigstens die Oberherrlichkeit zu behaupten. Alles
Land zwischen den Karpaten und der Mündung des Sereth und des Pruth,
gehorchte Jaroslaw dem Fürsten von Galizien, der Weise geheißen; er
ernannte mit Hintansetzung seines rechtmäßig gebornen Sohnes Wladimir,
1186 Olep zu seinem Nachfolger, und starb. Die Bojaren brachen ihren
Eidschwur, vertrieben Olep, erwählten Wladimir, doch bald bereuten sie,
ihren Jaroslaw geleisteten Eid gebrochen zu haben, denn der weise Vater
hatte den Sohn nur zu wohl gekannt, und ihr Geschick unter seiner graͤuel⸗
vollen Herrschaft vorausgesehen. Roman Ulstislawitsch, ein russischer Fürst,
benützte die allgemeine Unzufriedenheit, stürzte Wladimir und bestieg sei⸗
nen Thron. Der nach Ungarn geflüchtete Wladimir kam mit Bela ILI.
und einem gewaltigen Heer über die Karpaten. Roman mußte der Ge—
walt weichen und entfloh. Bela ließ Wladimir gefangen nehmen, anstatt
ihn wieder einzusetzen, und Andreas, des Königs von Ungarn Sohn, be—
stieg durch die Wahl der Bojaren den Thron. Nach kurzer Zeit entkam
Wladimir feiner Haft in Ungarn, sprach Kaiser Friedrich den Rothbart,
und König Casimir den Gerechten, um Hilfe an, erhielt sie vom Letzteren,
verjagte die Magyaren aus Galizien, und herrschte daselbst bis zu seinem
Tode 1190. Mit ihm erlosch das erlauchte Geschlecht Wolodars von Halicz.
Das Land war nun herrenlos, alle benachbarten Fürsten stritten sich darum.
Roman von Volhinien kam den Uebrigen zuvor, die Bojaren und das Volk
haßten ihn, doch er siegte durch die Gewalt der polnischen Waffen, herrschte
graufam, und fiel 1205 in einer Schlacht gegen dieselben Polen, welche
ihm auf den Thron geholfen. Die Galizier leisteten seinem Sohne Daniel
den Eid der Treue. Da gelüstete es Rurik, Romans Schwiegervater, nach
dem Besitz des Landes, und er hoffte es seinem unmündigen Enkel zu ent-
reißen. Geängstigt, von allen Seiten bedrängt, wandte sich Daniels und
Wasilko's Mutter an König Andreas II. Die Hilfe kam, und Rurik mußte
Galizien verlassen; doch bald nahten neue Feinde. Die Fürstin entfloh
mit ihren Söhnen nach der Stadt Wladimir, Andreas' Rettung erschien
dieses Mal zu spät. Von einem Theil wurde befchlossen, Jaroslaw, den
Sohn des russischen Großfürsten zu wählen, ein zweiter Theil berief Wla⸗
dimir Igorewitch. Letzterer folgte eilig dem Ruf und errang die Herrschaft;