Full text: Österreichische Vaterlandskunde für die oberste Klasse der Mittelschulen

Reiches machte es Karl unmöglich, es in seiner ganzen Ausdehnung zu 
beherrschen. Auch mußte Ferdinand, wenn seine im Jahre 1515 ver- 
abredete Heirat mit Anna stattfinden sollte, einen eigenen Besitz erhalten. 
Deshalb schlossen auf dem Wormser Reichstage die beiden Brüder 
einen Vertrag (1521), demzufolge Ferdinand die niederösterreichischen 
Länder erhielt, worauf die Vermählung mit Anna in Linz gefeiert wurde. 
Im Vertrage zu Brüssel (1522) trat ihm Karl auch die oberöster- 
reichischen Länder ab. So teilte sich nun das Haus Habsburg in eine 
spanische und eine österreichische Linie. 
In Böhmen und Ungarn regierte bis zum Jahre 1516 der Jagellone 
Viadislav. Ihm folgte sein Sohn Ludwig (1516—1526). Da er minder- 
jährig war, verlor das Königtum in beiden Ländern seine Macht gänzlich 
an den hohen Adel. In Ungarn erhob sich eine Partei, welche den 
Wojwoden Johann Zapolya, der schon vor der Geburt Ludwigs nach 
der Königskrone und der Hand der Tochter Vladislavs, Anna, gestrebt 
hatte, zum Gubernator machen wollte, was zu unausgeseizten inneren 
Streitigkeiten führte. Diese traurige Lage benützte der mächtige Sultan 
Soliman und fiel, nachdem er (1521) Belgrad, den Schlüssel Ungarns, 
eingenommen hatte, in das Land ein. Ludwig, der inzwischen mündig 
erklärt und mit der Schwester Ferdinands, Marie, yermählt worden war, 
rief den Adel Ungarns und Böhmens vergeblich zu den Waffen auf. 
Er brachte nur ein unbedeutendes Heer zusammen, wurde bei Mohacs 
geschlagen und ertrank auf der Flucht in einem Sumpfe (1526). Soliman 
verwüstete das Land bis Ofen und zog sich mit ungeheuerer Beute zurück. 
So war der Thron von Böhmen und Ungarn erledigt. 
Ferdinands Gemahlin Anna besaß unbestreitbares Recht auf Böhmen, 
da die Stände das Erbfolgegesetz Karls IV. vom Jahre 1348, welches 
das weibliche Erbrecht anerkannte, feierlich auch auf die Jagellonische 
Dynastie ausgedehnt hatten. Ferdinand erhob nun als Gemahl Annas 
Anspruch auf Böhmen, in Ungarn machte er sein eigenes Erbrecht nach 
früheren Verträgen, namentlich dem von 1491 geltend. Da die Stände 
Böhmens aber seine Rechtsansprüche nicht anerkannten, unterzog er sich 
der Wahl und wurde einstimmig gewählt; die Stände von Mähren, 
Schlesien und der Lausitz erkannten jedoch das Erbrecht Annas an und 
nahmen Ferdinand ohne Wahl an. In Ungarn gelang es dagegen Ferdi- 
nand nicht, seine Ansprüche in vollem Umfange zur Geltung zu bringen. 
Er gewann zwar den hohen Adel für sich, der zahlreiche niedere 
Adel, der einen nationalen König wollte, schloß sich aber dem Wojwoden 
Johann Zäpolya an und wählte diesen in Stuhlweißenburg zum Könige. 
Die habsburgische Partei, zu der auch der Palatin gehörte, wählte 
dagegen in Preßburg einstimmig Ferdinand (1527) und erklärte die
	        
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