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fliehen kann, eilt von dannen; aber plötzlich wird es abermals rabenschwarze
Nacht und nun entsteht schreckliche Verwirrung. Die Männer rufen einander
zu, die Kinder und Weiber schreien, Menschen und Thiere laufen in der Fin¬
sterniß aneinander, die Wagen stürzen in Gruben und Löcher, und Jeder
glaubt, die Götter hatten die Menschen verlassen und die Welt gehe unter.
Noch entsetzlicher ist die Scene in der Nahe des Verderben speienden Berges;
da öffnet die Erde ihren Schlund und drei blühende Städte, H erkulanum,
Pompeji und Stabiä versinken in den Abgrund. Ein ödes wüstes Aschen¬
feld ist ihr Grabhügel geworden. Siebenzehnhundert Jahre blieb ihre Spur
verborgen, und erst 1738 kam man auf die Spur von Herkulanum, als der
König von Neapel in der dortigen Gegend sich ein Landhaus bauen ließ. Man
stieß zuerst auf das Theater, und je weiter man nachgrub, um so mehr zeigte
sich die verschüttete Stadt. Jetzt sind bereits ganze Straßen ausgegraben, so
daß man ziemlich frei in ihnen umhergehen kann. Die Häuser und das
Hausgeräth haben sich gut erhalten; man sieht da noch Stühle, Tische, Fla¬
schen, Lampen, Messer, Ringe und Schlüssel, die Wände sind mit Götter- und
Heldengeschichten bemalt, und über den Hausthüren stehen noch die Jnschrif-
ien. In den Buden am Theater lagen allerlei Eßwaren, Nüsse, Weintrauben,
Oliven, auch eine große Pastete, die aber zusammensiel, sobald man sie be¬
rührte. Auch die Gebeine der Unglücklichen, die hier lebendig verschlungen
wurden, lagen noch da als Zeugen des Schreckenstages; denn das Unglück
war eingtbrochen, als das Volk im Theater saß.
Auch Pompeji ist wieder an's Tageslicht gekommen, aber nicht ganz,
denn ihre Stadtmauern hatten eine Stunde im Umfang. In den Straßen,
die überaus enge sind, sieht man deutlich die ausgehöhlten Gleise. An den
Straßenecken befanden sich viele Inschriften, die auf die Mauer mit Farbe ge¬
schrieben sind und allerlei Bekanntmachungen enthalten, z. B. daß ein Haus
zu vermiethen oder zu verkaufen sei, daß Fechterspiele gegeben werden sollen rc.
Zwei Theater, eins für Lustspiele, das andere für Trauerspiele bestimmt, hat
man vollständig ausgegraben, außerdem auch noch ein Amphitheater, das we¬
nigstens 18,000 Menschen fassen konnte, in dessen Räumen man noch Löwen¬
gerippe fand. In einem Landhaus des Cicero fand man noch die großen
Weinkrüge an die Wand gelehnt, aber statt des Weines mit Lava angefüllt.
Was an den Häusern auffällt, ist ihre niedere Bauart und die Kleinheit der
Zimmer. Die meisten Häuser haben nur ein Erdgeschoß; das Licht erhielten
sie weniger durch Fenster als durch die Thür, die also immer offen sein mußte,
und auf eine rings um den Hof laufende Gallerie ging. Nach der Straße zu
gingen wenig Fenster, denn die Zimmer öffneten sich eben nach der Seite des
Hofes, zu dem der Haupteingang des Hauses führte. In der Mitte dieses
HofeS befand sich ein Wasserbecken mit einem Springbrunnen. Links und
rechts liefen die kleinen Zimmer, zum Aufenthalt bei schlechter Witterung oder
zum Schlafen bestimmt; sonst verweilte man im Hofe selber und noch mehr
draußen. Im Jahre 1832 grub man ein besonders schönes Haus aus; darin
waren der Hof und die Zimmer mit schönem Mosaikboden geziert, d. h. es sind
größere und kleinere Steinchen von verschiedener Farbe zusammengesetzt. Der
Hof war mit 45 Marmorsäulen umgeben und in einem Winkel desselben befan¬
den sich zierliche Nischen für die Hausgötter/
In einem andern Hause fand man 1700 Bücherrollen, die auf einem Re-
positorium der Reihe nach aufgestellt waren, — das war eine Bibliothek.
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