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Als die Sonne einige Spannen hoch gestiegen, verschloss er wieder
die Fenster vor der schönen Welt mit allem, was dranßen lebte und
webte, und ließ nur einen einzigen Lichtstrahl in den verdunkelten Raum
durch ein kleines Löchlein, das er in den Laden gebohrt hatte. Als
dieser Strahl sorgfältig auf die Tortur gespannt war, wollte Reinhard
ungesäumt sein Tagewerk beginnen, nahm Papier und Bleistift zur Hand
und guckte hinein, um da fortzufahren, wo er gestern stehen geblieben.
Da fühlte er einen leise stechenden Schmerz im Auge; er rieb es mit
der Fingerspitze und schaute mit dem andern durch das Rohr, und auch
dieses schmerzte, denn er hatte allbereits angefangen, durch das anhaltende
Treiben sich die Augen zu verderben, namentlich aber durch den unauf—
hörlichen Wechsel zwischen dem erlenchteten Krystall und der Dunkelheit,
wenn er in dieser seine Zahlen schrieb.
Das merkte er jetzt und fuhr bedenklich zurück, wenn die Augen
krank wurden, so war es aus mit allen sinnlichen Forschungen, und
Reinhard sah sich dann auf beschauliches Nachdenken über das zurück—
geführt, was er bislang gesehen. Er setzte sich betroffen in einen weichen
Lehnstuhl, und da es nun gar so dunkel, still und einsam war, beschlichen
ihn seltsame Gedanken.
Nachdem er in munterer Bewegung den größten Theil seiner Ingend
zugebracht und dabei mit Aufmerksamkeit unter den Menschen genug
zesehen hatte, um von der Gesetzmäßigkeit und dem Zusammenhange
der moralischen Welt überzeugt zu werden, und wie überall nicht ein
Wort fällt, welches nicht Ursache und Wirkung zugleich wäre, wenn auch
so gering wie das Säuseln des Grashalms auf einer Wiese, war die
Erkundung des Stofflichen und Sinnlichen ihm sein All und Eines
geworden. Nun hatte er seit Jahren das Menschenleben fast vergessen,
und dass er einst auch gelacht und gezürnt, thöricht und klug, froh und
traurig gewesen. Jetzt lachte er nur, wenn unter seinen chemischen Stoffen
allerlei Komödien und unerwartete Entwicklungen spielten; jetzt wurde
er nur verdrießlich, wenn er einen Rechnungsfehler machte, falsch
beobachtete oder ein Glas zerbrach; jetzt fühlte er sich nur klug und
froh, wenn er bei seiner Arbeit das große Schauspiel mit genoss, welches
den unendlichen Reichthum der Erscheinungen unaufhaltfam anf eine
einfachste Einheit zurückzuführen scheint, wo es heißt, im Anfang war
die Kraft, oder so was.
Die moralischen Dinge, pflegte er zu sagen, flattern ohnehin gegen—
wärtig wie ein entfärbter und heruntergekommener Schmetterling in der
Luft; aber der Faden, an dem sie flattern, ist gut angebunden, und sie
werden uns nicht entwischen, wenn sie auch immerfort die größte Lnst
bezeigen, sich unsichtbar zu machen.
Jetzt aber war es ihm, wie gesagt, unbehaglich zu Muth geworden;
in der Besorgnis um seine Augen stellte er sich alle die guten Dinge
oor, welche man mittelst derselben sehen könne, und unvermerkt mischte