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Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.
Zersplittert liegen Ästetrummer quer im Pfad.
Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.
Friedsel'ge Wolken schwimmen durch die klare Luft.
Als kehrten Engel heim von einer nächt'gen Wacht.
Die dunkeln Schollen athmen kräft'gen Erdgeruch.
Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.
Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: „Herr,
Ihr seid ein klnger Mann und voll Besonnenheit,
Ihr wisst, dass ich dem größten König eigen bin.
Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!“ Der andre spricht:
„Du sagst's! Dem größten König eigen! Heute ward
Sein Dienst mir schwer ... Gemordet hast du teuflisch mir
Mein Weib! Und lebst! .... Mein ist die Rache, redet Gott.“
Aus der Novelle:
„Der Heilige.“
(I. Capitel.)
Langsam fallend deckte der Schnee das blache Feld und die Dächer
oereinzelter Höfe rechts und links von der Heerstraße, die aus den warmen
Heilbädern an der Limmat nach der Reichsstadt Zürich führt. Dichter
und dichter schwebten die Flocken, als wollten sie das bleiche Morgen—
licht auslöschen und die Welt stille machen, Weg und Steg verhüllend
und das wenige, was sich darauf bewegte.
Jetzt erscholl auf dem Holzboden der bedachten Brücke, welche sich
unfern der Stadt über den Sihlstrom legt, der dumpfe Hufschlag eines
Pferdes, und unter dem Sparrenwerk der finstern, den Stadtmauern zu—
gewendeten Offnung erschien ein einsamer Reiter. Seine feste Gestalt
war so warm in einen grobwollenen Mantel gewickelt, und er hatte sich
dessen Kapuze derart über den Kopf gezogen, dass von seiner Person
kaum mehr als ein breiter grauer Bart zum Vorschein kam. Hart hinter
dem starken Ganl von heimischer Race trabte mit beschneitem Rücken
und melancholisch gesenkter Schweiffahne ein großer Pudel. Der pol—
ternde Wiederhall des Hufes in der Holzwölbung weckte die drei Reise—
gefährten aus dem Halbschlummer, den Frost und Schnee über sie ge—
bracht hatten, und stellte ihnen Thor und Herberge in nahe Aussicht.
Ersteres wurde in raschem Trotte erreicht. Unter dem niedrigen Thor—
bogen warf der Reiter seine Kapuze zurück, schüttelte die Flocken vom
Mantel, rückte sich die Pelzmütze aus der energischen Stirn und ritt in
guter, trotz der Last seiner Jahre kriegerischer Haltung durch den Renn—
weg, die erste am Fuße der kaiserlichen Pfalz sich hinziehende Straße.
Es war der drittletzte Tag des Jahres der Gnade 1191, denn der
Reisende hatte die Gewohnheit, Zürich zwischen Weihnachten und Jahres—
ende heimzusuchen.
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