Geistiges Leben des deutschen Volkes.
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wachsen und kein unnötiges Beiwerk bilden. Auch Böcklin liebt das Frei-
licht, seine Phantasiegestalten erwecken den Eindruck von Lebenskrast und
eindringlicher Wirklichkeit.
Zu den Freilichtmalern gehört auch Fritz von Uhde. der in der
religiösen Malerei einen neuen Weg einschlug. Er stellt Christus als
Tröster der Mühseligen und Beladeuen in unsere Zeit hinein. Für ihn
und die Apostel freilich behält er die herkömmliche Tracht bei. Als Bildnis-
maler ragt Franz von Lenbach hervor, als Geschichtsmaler Anton von
Werner, als Landschaftsmaler Hans Thoma. der deutscheste aller neueren
Maler.
Der Belebung des Nationalgefühls und der Erinnerung an die großen
Taten und Persönlichkeiten der Nation dienten vor allem die Bildhauerei
und die Baukunst. Znm Andenken an die Errichtung des Deutschen
Reiches erhob sich das Nationaldenkmal ans dem Niederwald von
Schilling, zum Andenken an die älteste Befreiung Deutschlands das
Hermannsdenkmal auf der Groteuburg bei Detmold vou Bändel,
während Siemering das Leipziger Siegesdenkmal schuf. Der Kaiser
setzte 1880 seiner Mutter, der Königin Luise, im Tiergarten bei Berlin
ein Marmordenkmal, das von Encke ausgeführt wurde, und fügte in dem-
selben Jahre dem Cölner Dome den Schlußstein ein. Zur Aufnahme
von Meisterwerken der neueren deutschen Kunst wurde die Berliner
Nationalgalerie errichtet.
Ganz besonderes Interesse zeigte Kaiser Wilhelm IL für die Werke
der bildenden Kunst. Manche verdanken ihm Anregung und Förderung,
einige sogar verständnisvolle Mitwirkung. Es entstanden u. ct. die Kaiser-
Wilhelm-Gedächtuiskirche, das Reichs^agsgebäude von Wallot
mit dem Bismarck-Denkmal von Neinhold Begas, das National-
denkmal Wilhelms I. von demselben Künstler und die Standbilder
der Siegesallee in Berlin. Ein riesiges Reiterdenkmal Wilhelms I.
schmückt in Koblenz das Deutsche Eck unmittelbar an der Mündung der
Mosel in den Rhein. Das Leipziger Völkerschlachtdenkmal geht seiner
Vollendung entgegen, und sür das geplante Bismarck-Nationaldenkmal auf
der Binger Höhe ist vom Ausschuß der Entwurf des Düsseldorfer Baumeisters
Kreis uud°des Berliner Bildhauers Lederer angenommen worden.
Die Baukunst sah sich vor neue Aufgaben gestellt. Bahnhöfe. Aus-
stellungshallen, Museen, Theater. Parlaments- und Postgebäude usw.^er-
sordern weite Räume, aber sehr verschiedene Formen. Ein entsprechender* <^til
hat sich daher noch nicht herausbilden können. Während man sich auf der
einen Seite scheut, das Überlieferte aufzugeben, sucht man auf der anderen
nach Neuem, das zu den modernen Zwecken und der fortgeschrittenen Technik,
besonders dem Bau in Eisen besser paßt.
Das Kunstgewerbe war in der ersten Hälfte des Jahrhunderts ganz
in Verfall geraten, die Maschinenarbeit, die nur Dutzendware liefert, war