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Kapseln und Beeren als Frühmahl, die niederfallenden Schalen erregen auf
den harten Blättern ein Geräusch, das an das Prasseln niederstürzender
Hagelkörner erinnert. Spechte pochen an den Baumstämmen, tief aus dem
Innern des Urwaldes klingt es, wie wenn dort eine Reiterschar galoppierte.
Unser Reisegefährte erzählt nns, das Geränsch rühre von Pecearis her, die
den fumpfigen Boden aufstampften, bevor sie ihn nach Infekten und Würmern
durchsuchten. Die Sonne steigt höher und höher, sie erreicht endlich den
Zenith. Furchtbare Glut drückt lähmend auf alles Lebeu. Die Fische suchen
die Tiefen der Gewässer auf, Säugetiere und Vögel die feuchte Kühle in
den schattigen Waldgründen. Nur die Kaimans erfreuen sich der Hitze;
ihre plumpen Leiber liegen auf den Sandbänken ausgestreckt, und man
sieht es den Ungeheuern sörmlich an, wie sehr sie sich der Sonnenwärme
erfreuen. Stolz und still erheben sich in der Ferne die edelgesormten Palm-
Wipfel über der heißen, flimmernden Lnft. Betäubeud wirkt die glühende,
dufterfüllte Atmosphäre auf die müden Nerven; die vom Staube augegrisfe-
nen Augen werden durch das blitzende Wasser geblendet; die Tropennatur
erzeugt iu der Mittagsglut ein äußerst lästiges Unbehagen, eine stumpfe
Teilnahmlosigkeit in uns, woraus wir aber durch die brennenden Stiche
der Insekten auf höchst unangenehme Weise geweckt werden. Allmählich
mindert sich die Glut, schräg fallen die Sonnenstrahlen aus, aus dem Flusse
weht angenehme Kühlung herauf. Noch einen langen Blick wirft die blendende
Tagesleuchte über den Wald, und wieder wird es unruhig wie in den
Morgenstunden. Endlich sinkt der rotglühende Sonnenball hinter den Wipfeln
hinunter, taucht den westlichen Himmel znm Abschied in ein Meer der Herr-
lichsten Farben, und nun schweben die leuchtenden Gestirne des Südens
über dem dunkeln Walde herauf. Die Bewohner der Wildnis geben sich
in ihren Schlupfwinkeln dem Schlummer hin. Tiefes Schweigen lagert
über der weiten Waldeinsamkeit; nur der Nachtwind rauscht leise in den
Baumkronen, und dumpf murmelnd schlagen die Wellen an das vielfach
Verschlungeue, dichte Wurzelwerk der Strandbäume. Weithin fchimmern die
Wasser im bleichen, zitternden Lichte des Vollmondes; scharf zeichnet sich
der Waldrand zu beiden Seiten des Stromes gegen den Himmel ab, einen
breiten Streifen tiefdnnkeln Schattens auf die Uferwasser werfend. Jetzt
landen wir an einer hochbewaldeten Strominsel. Behend springen die Indianer
ans den mondhellen Strand, behend entzünden sie aus dem umherliegeuden
Holz ein lustig loderndes Feuer. Nun begeben sie sich auf die Schild-
krötenjagd, gewandt werfen sie das unbehülslich heranwatschelnde Tier aus
den Rücken, durchschneiden ihm die Kehle und tragen die Beute eilig uach
dem Lagerplatze. Ein anderer Schildkrötenjäger bedroht sie nämlich: auch
der grimmige Jaguar streift nach solch' leckerem Bissen und wirst sich mit-
unter wütend auf den Menschen, der ihm das treffliche Mahl entzog.
Die Schildkröte wird geschickt zubereitet und verzehrt; namentlich ihre
großen Eier sind als wohlschmeckende Speise geschätzt. Nun streckt sich
alles müde im trockenen Usersande nieder. Die ermatteten Eingeborenen
verfallen sofort in tiefen Schlaf; wir aber vermögen noch nicht zn