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Lehrproben,
Da kommt ihm ein andrer Radler und dann ein Geschirr entgegen.
Ganz von selber weichen sie nach rechts aus. Der Staat hat das so ange-
ordnet, damit unserm Arbeiter kein Unglück zustößt. Abends radelt er wieder
nach Hause. Da es bereits dunkel ist, zündet er seine Laterne an. Alle Radler,
Autler und Fuhrwerke tun desgleichen auf das Gebot des Staates. So fahren
sie auch auf finstrer Landstraße gefahrlos. Am Tage hat ein Steinfuhrwerk ein
paar große Steine verloren. Der Straßenwärter sah sie und legte sie ganz an
den Rand. Hätte er das nicht getan, dann fuhr gewiß unser Arbeiter an sie,
zerschnitt seinen Reifen und fiel vom Rade. Dem beugte der vom Staate
angestellte Straßenwärter vor. So hilft der Staat unserm Arbeiter, daß er
bequem, sicher und gefahrlos den Hin- und Rückweg zurücklegen kann.
Jetzt treten wir mit ihm in die Fabrik. Horch, welch ein Surren,
Schnurren, Stampfen, Schnauben! Mir wird es ordentlich angst vor den
vielen gefährlichen Maschinen. Doch unser Arbeiter fürchtet sich nicht im
geringsten. Er weiß, der Heizer des Dampfkessels tut seine Pflicht und paßt
genau auf, daß der zischende Kessel nicht zerplatzt und die ganze Fabrik in die
Luft sprengt. Außerdem ist am Kessel ein Sicherheitsventil, wodurch die über¬
schüssigen Dämpfe von selbst entweichen. Der Staat war es wieder, der für die
Sicherheit unsers Arbeiters sorgte und den Heizer erst prüfte auf seine Kenntnis
und Gewissenhaftigkeit. Welches Unheil könnte geschehen, wenn ein unwissender
oder trunksüchtiger Mann den Dampfkessel zu bedienen hätte!
Vorsichtig begeben sich alle Arbeiter an ihren Platz. Überall sehen wir
Schutzvorrichtungen, Gitter, Verschlüge an den Maschinen, namentlich da, wo
man sich leicht verletzen könnte. Niemand treibt dort Albereien oder schubt
und stößt sich dort. Alle achten genau auf. Da kommt auch schon der
Werkmeister und sieht nach dem Rechten. Gerade heute ist alles recht genau.
Der Fabrikinspektor kommt und besichtigt die Fabrik, ob auch alle vom Staate
vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen richtig angebracht sind. Dann beschaut
er die Fenster, ob sie groß genug sind und sich leicht öffnen lassen. Darauf
prüft er die Lüftungsvorrichtungen. Endlich sieht er nach, ob überall Spuck¬
näpfe stehen, und ob auch der Fußboden reingehalten wird. Selbst nach den
Abtritten schaut er. Die Gesundheit der Arbeiter soll nicht gefährdet werden.
Hierauf kostet er das Trinkwasser, ob es völlig rein ist. Da sehen wir, wie sich
der Staat um das Wohl und die Gesundheit der Arbeiter kümmert....
Wir können gar nicht alles aufzählen, was der Staat unserm Arbeiter für
Wohltaten erweist. Wenn aber unser Arbeiter nur das wüßte und bedächte, was
wir hier angedeutet haben, dann glauben wir, würde er nie mehr sagen: Der
Staat tut für mich auch rein gar nichts, ich zahle die Steuern ganz umsonst. Viel¬
mehr würde er gestehen: Ich bin gar nicht im stände, dem Staate alle die Wohl¬
taten zu vergelten, die er mir und den Meinen erwiesen hat und täglich erweist.
Werhat an meinem neuenRocke gearbeitet91)
Kürzlich kaufte mir mein Vater einen neuen Rock. Wie freute ich mich
darüber! Dankbar bin ich meinen lieben Eltern dafür. Doch dachte ich
nicht weiter darüber nach. Da sagte zufällig die Mutter zu mir, überlege
dir doch einmal, wem du eigentlich deinen neuen Rock verdankst! Meinem
Vater! antwortete ich, denn ohne sein verdientes Geld hätten wir ihn nicht
kaufen können. Da haben noch viele Menschen mithelfen und arbeiten
müssen, damit du deinen schönen Rock bekommen konntest — erzählte meine
*) Vgl. Prof. Dr Arndt, Deutschlands Stellung in der Weltwirtschaft S. 2.