Full text: (Für die vierte Klasse) (Abteilung A, [Schülerband])

Das Geheimnis der Mischung. Die Glücksuhr von Wölfis. 265 
halten, Sommer und Winter abarbeiten mußten. Während die Männer 
im Walde oder auf dem dürftigen Stückchen Ackerland beschäftigt waren, 
zogen die Weiber zu Tal, viele Meilen ins offene Land hinein, um 
Beeren, Zohannisblumen oder Wacholder und geflochtene Strohdecken 
zum Verkauf zu tragen. Das ging so Jahr für Jahr, — die Kinder 
sahen's den Eltern ab und richteten flch das Leben nicht schlechter ein 
und nicht besser. 
Zu der Zeit, davon ich rede, lag am Ende des Dörfchens, wo das 
rötliche Felsgestein steil aufstieg, ein kleines, sauberes Läuschen mit 
einem winzigen Gärtchen davor. Das täuschen schien im Schuhe der 
Felswand gegen jedes Wetter geborgen, denn die Ziegel auf dem Dache 
waren weniger verwittert als aus den andern Dächern, an den Fenster¬ 
läden ließ sich noch immer die Spur eines frühern Anstrichs erkennen, 
und das Gärtchen schmückte sich sogar mit einem großen Busch rot- 
blühender Nelken. Zn diesem saubern täuschen war jedoch die Tür 
fast den garlzen Tag über verschlossen. Es lebte eine fleißige, saubere, 
sparsame Frau darin, die „Lanw Abeln" genannt, welche von den 
übrigen Dorfbewohnern nicht viel wissen wollte. Sie hatte aus einem 
fleißigen Fabrikstädtchen hier heraus geheiratet — ihr Mann war nicht 
lange darauf beim Lolzen verunglückt — seidem lebte sie einsam in 
dein Läuschen und schloß sich von den andern ab, die ihr fahrlässig 
und leichtsinnig schienen. 
Die Lannabeln hatte in ihrem ganzen Leben noch niemals eine 
Arbeit versäumt oder etwas Nötiges vergessen. Sie ging im Sommer 
alle zwei Wochen nach der weit entlegenen Kirche und nahm dann regel¬ 
mäßig aus ihrem Spartopf einen Kupferpfennig für die Armen mit. 
Sie trug noch dieselben Röcke, die sie von Lause mitgebracht hatte, und 
machte ihr Schuhwerk selbst; es konnte ihr keiner etwas nachsagen. 
Aber Besuch mochte sie nicht leiden, — es war eine Störung in der 
Arbeit, und worüber sollte sie mit den Leuten reden? — Es war ihr 
das Wohl der andern gleichgültig, die mochten für sich selbst sorgen. 
Einmal aber, gegen Abend, als sie nach der Ziege sehen wollte, 
kam ein kleines Männchen des Weges daher, grau und gebückt, — das 
blieb am Gartenzaun stehn und schaute wie verwundert nach dem 
Läuschen hin. Dann schlug es die Lände zusammen und rief mehr¬ 
mals: „Lier sieht's doch ein Jahr aus wie das andere! Was seid Ihr 
doch für eine tüchtige Frau!" 
Nun hörte die Lannabeln kaum je ein anerkennend Wort für ihre 
Arbeit, verlangte auch nicht danach — aber jetzt ging es ihr doch glatt 
ein, daß der Alte in so große Verwunderung kam, und sie trat näher
	        
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