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haben, und daß Höchstdieselben vornehmlich wünschten, Schulmeister aus Sachsen zu diesem Behufe
herüber zu bekommen.
Nach Ew. Hochwürden Memung sind 100 Rtlr. für einen Schulmeister genug. Ich hatte
anfänglich keine größere Besoldung im Sinne; allein ich glaube kaum, daß sich dieses so genau
und allgemein bestimmen läßt, weil ich es für sehr verderblich halte, wenn der Dorfeinwohner
für den Unterricht seines Kindes annoch ein gewisses wöchentliches Schulgeld zahlen muß, inmaßen
dieses Schulgeld, so gering es ist, in diesen beklemmten Zeiten den Landmann sehr oft
mit Grunde abhalten kann, seine Kinder zur Schule zu schicken. Vielmehr hielte ich es für
daß je des Kind vom fünften Jahre an in die Schule gehen müßte, und daß der Prediger kein
Kind zum Abendmahl annehmen dürfte, welches nicht einen zu bestimmenden Grad von analogischer
Gelehrsamkeit erreicht hätte.
Es würde dannenhero auch die Besoldung mit der Anzahl der Kinder eines Dorfes im Ver⸗
hältnis stehen müssen. Und da aller Unterricht, wie Ew. Hochwürden so richtig bemerken, dahin
gehen muß, daß die Bauernlinder zur Treibung ihres 23 Gewerbes aufgeklärter gemacht,
und der Verstand nach ihrem Verhältnis bearbeitet werde, so fällt es in die Augen, daß ein der—
gleichen Unterricht weit mühsamer werden muß, als wenn der Schulmeister den Jungen eine Seite
aus Luthers Katechismo auswendig lernen läßt.
Die Sache wird dadurch immer einen großen Schritt weiter kommen, wenn wir Leute er—
halten, welche Kopfs genug haben, die Jugend nach dieser Methode zu unterrichten; und in voller
Zuversicht auf Ew. Hochwürden rühmlichen Eifer wage ich es, dieselben zu ersuchen, sich um
einige dergleichen Subjekte, vornehmlich aus Sachsen, zu bewerben und mir demnächst einige
asi zukommen zu lassen, ob nicht fürs erste mit einem Distrikt um Reckan herum ein Versuch
zu machen möglich sei. Diese Leute würden offenbar, wenn sie durch Ew. Hochwürden herüber—
gerufen wären, auch mehr Zutrauen zu Ihnen haben, und es würde offenbar mehr Vorteil sein,
wenn man ganze Distrikte mit guten Schulmeistern auf einmal besetzte, als wenn alle zehn
Meilen einer angesetzt würde. o
Ew. Hochwürden sollen hierbei mit keinem Auftrag belastet werden; ich verpflichte mich aufs
heiligste, von Ihnen nichts zu fordern, als was Ihnen selbst Ihr Eifer für das allgemeine Beste
abfordern wird. Ich ersuche Sie nur, das Talent, was Ihnen die Vorsicht gegeben hat, anzu—
wenden, und werde mir's zur Ehre rechnen, wenn Sie über dieses Sujet und über die zu treffende
Einrichtung mir dero Meinung unzurückhaltend zu eröffnen die Gefälligkeit haben Polllen
Ich bin mit einer eeen die ich auszudrücken nicht imstande bin,
Euer Hochwürden gehorsamster Diener
Berlin, den 17. Juni 1773. Zedlitz.
35 Herrn Domherrn v. Rochow auf Reckan p. Brandenburg.“
Man wird es mir hoffentlich nicht als Ruhmredigkeit auslegen, daß ich diesen Brief
hier beifüge, weil ich ohne dessen Mitteilung keine Geschichte meiner Schulen schreiben konnte:
denn er ist die Grundlage zu allem, was durch mich in diesem Fache nachher geschehen ist.
Auch kann dieser Brief zum Beweise dienen, daß ich nicht eigenmächtig oder in ein fremd Amt
10 greifend verfuhr, sondern nach Aufträgen von meinen Vorgesetzten handelte.
Nun entspann sich eine weitläufige Korrespondenz zwischen dem Minister und mir über
Schulsachen, von welcher ich itzo nur soviel beibringe, daß der Minister mich versicherte, er
habe dem Könige — und Friedrich I. dachte gerade damals mit Ernst an den statistischen
Wert besserer Landschulen — von meinem Buche Bericht erstattet; der König habe es gnädig
aufgenommen und ihm befohlen, durch m ich sächsische Schulmeister ins Land zu ziehen und
die Landschulen nach meinem Plan zu organisieren.
So sichtbar segnete die Vorsehung mein kleines Senfkorn, daß es bald ein Bäumchen
wurde. Denn ich, dem kurz vorher ein in dergleichen neue Einrichtungen schwerlich ein—
stimmender Prediger und eben damals der alte Schullehrer in Reckan durch den Tod Platz
o machten, konnte nun, von allen Hindernissen von obenher befreit, an die Einrichtung einer
neuen Schule denken.
Aber wider die Ansetzung von Schulmeistern aus einem andern Lande stritt ich mit dem
Minister aus mancherlei Gründen, vornehmlich von der hiesigen plattdeutschen Sprache her—
genommen, die, den Obersachsen unbekannt, ihnen die ersten Zugänge in die Kinderseelen ver—
schlösse, da nur Bekanntschaft mit Hoch- und Plattdeutsch es möglich mache, letzteres
durch ersteres, welches doch einmal Lehr- und Befehlssprache ist, zu verdrängen. Und ich
war endlich so glücklich, meinen Gründen Eingang zu verschaffen, so daß von sächsischen
Schulmeistern nicht mehr die Rede war.
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