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wobei Barrikaden errichtet wurden, verliehen dieser Forderung Nach¬
druck. Die Minister versprachen zunächst alles, weil sie selbst ratlos
waren, aber der Kaiser verließ die Hauptstadt und begab sich nach
Innsbruck. Gleichzeitig liefen aus Böhmen sehr beunruhigende Nach¬
richten ein. Die Czecheu wollten nichts von einer Zugehörigkeit zu
Deutschland wissen, sandten auch keine Abgeordneten in das deutsche
Parlament. Palacky, der Vorkämpfer des Slawentums, veranstaltete
einen Slawenkongreß in Prag, bei dem sich der russische Flüchtling
Baknnin als politischer Schwärmer hervorthat. Da Ungarn und die
Lombardei sich gleichzeitig so unabhängig als möglich zu machen suchten,
so schien die österreichische Monarchie in einzelne Teile auseinander
zu fallen. In Wien rissen die aufgeregtesten Demokraten, die Studenten
(die Aula) voran, alle Gewalt an sich; der von ihnen eingesetzte
Sicherheitsausschuß galt mehr als das Ministerium. Um einen größeren
Halt zu gewinnen, bat dieses den Kaiser, zurückzukommen; er that es,
schlug aber feine Residenz nicht in Wien, sondern in Schönbrunn auf.
Schon vorher, am 22. Juli 1848, war die konstituierende Versamm¬
lung durch den Erzherzog Johann im Namen des Kaisers feierlich
eröffnet worden. Aber weder dieses Zugeständnis, noch die Nähe
des Landesherrn hielten den Pöbel ab, in wüsten Straßenkämpfen
augenblickliche Wünsche zum Ausdruck zu bringen. Bei einem dieser
Tumulte wurde das Gebäude des Kriegsministeriums gestürmt, der
Kriegsminister Latour ermordet und der Leichnam an einem Laternen¬
pfahle aufgehängt. Erschreckt durch diese Vorgänge, reiste der Kaiser
nach Olmütz ab. Die Hauptstadt wäre der gräßlichsten Anarchie an¬
heimgefallen, wenn sich die Regierung nicht ermannt und alle ver¬
fügbaren Truppen herbeigezogen hätte. Graf Auersperg nahm mit
10000 Mann bei Schönbrunn Aufstellung, der Ban von Kroatien,
Jellachich, rückte von der Raab, Windischgrätz von Prag her
gegen die Stadt an. Windischgrätz, der kurz vorher den Czechenausstaud
in Böhmen unterdrückt hatte, erhielt die Oberleitung der gesamten,
zum Angriff bestimmten Macht. Auch Wien rüstete sich zum Kampfe.
Zwei Mitglieder des deutschen Parlamentes, Robert Blnm und
Julius Fröbel, waren daselbst anwesend und ermunterten das
Volk zur äußersten Gegenwehr. Am 23. Oktober war Wien von
80000 Mann regulärer Truppen eingeschlossen. Die Belagerung
dauerte bis zum 31. Oktober. An diesem Tage schossen die Kaiser¬
lichen das Burgthor zusammen und drangen in die Stadt ein, wo sie
kaum noch irgendwelchen Widerstand fanden. Blum und Fröbel ge-
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