361. Thörichtes Murren.
Es war einmal ein Graf, der wohnte in seinem Schlosse nahe bei
einem Dorfe. Er hatte ein sehr großes Landgut und hielt viele Knechte
und Mägde, die ihm sein Feld bestellten. Überdies arbeiteten ihm auch
viele Leute aus dem Dorfe um den täglichen Lohn. Unter diesen Tage
löhnern befand sich auch ein Mann mik seiner Frau. Sie hießen Hans
und Grete und waren zwar nicht ärmer als die übrigen Arbeiter, aber
sie fühlten sich doch unglücklicher, denn sie waren faul und arbeitelen
nicht gern. Darum fiel ihnen die Arbeit auch so schwer. — Eines Tages
waren sie wieder nach dem Schlosse des Grafen gekommen und wollten
um den Lohn bei ihm arbeiten. Da schickte sie der Verwaller in den
Garten, und der Gärtner wies ihnen eine Arbeit an. Sie mußten die
Wege des Gartens aufhacken und das Gras herausschütten. Die Wege
aber waren sehr fest getreten, der Tag war schwül, und es war den
beiden Leuten so heiß, daß ihnen der Schweiß von der Slirne rann.
Da richtete sich Hans mit einemmale von der Arbeit auf und sagte zu
seiner Frau: „Wir sind doch recht unglücklich, daß wir um die paar
Groschen Tagelohn so hart arbeiten n snn — „da,“ sagte die Frau
und warf ihre Hacke aus den Händen, „es ist recht hart“ Warum ist
denn die Einrichtung so in der Welt, daß man sein Brot im Schweiße
seines Angesichts erwerben muß?“ — „Ei, das kannst du in der Bibel
lesen,“ erwiderte Hans, „das schreibt sich von dem Paradiese her. Der
lzebe Gott hatte den ersten Menschen, Adam und Eva, verboten, von den
Apfeln des Baumes mitten im Garten zu essen; und fie haben sein Gebot
nicht geachtet und doch davon gegessen. Darum sind sie aus dem Paradiese
gejagt worden; und seitdem müß der Mensch sein Brot im Schweiße
seines Angesichts essen. Wäre das nicht geschehen, so säßen noch alle
Menschen ruhig im Paradiese und brauchten gar nicht zu arbeiten“
„Hm!“ hrummte Grete, „das hätten sie können bleiben lassen. Die Eva
aber muß recht naschhaft gewesen sein. Muß man denn alles versuchen?
— „JJa, fiel ihr Hans in die Rede, „und der Adam muß recht dumm
gewesen sein, daß er sich von der Eva verleiten ließ, auch in den Apfel
zu beißen. Ich hätte der Adam sein sollen! Eine tüchtige Ohrfeige hätte
die Eva von mir bekommen, wenn sie mir mit ihrem Apfel gekommen
wäre. Ich bin nicht so dumm als der Adam und muß doch jetzt für
seinen Fehler büßen.“ Er setzte unwillig seine Arbeit fort. „Und ich
hin nicht so neugierig und näschig, als die Eva war, und muß auch für
sie büßen,“ setzte die Frau hinzu und griff langsam nach ihrer Hacke.
Also murrten die beiden einfältigen und faulen Leute über die Sünde
der ersten Menschen und über ihr eigenes Schicksal. — Aber der Graf hatte
in einer nahen Laube gesessen und ihr Gespräch mit angehört. Am
Abend war er im Hofe zugegen, als der Verwalter den Lohn unter die
Arbeiter auszahlte. Als sie nach threm Dorfe zurückgehen wollten, rief
er Hans und Grete zurück. „Hört,“ sprach ex, „ich habe mit angehört,
was ihr im Garten miteinander gesprochen. Da du Haͤns nicht so dumm
wie Adam, und du Grete nicht so naschhaft bist wie Eva, so scheint es
mir auch allerdings unbillig, daß ihr so hart für ihr Vergehen gestraft
sein und euren Unterhalt sauer verdienen sollt. Ich will euch in eine
bessere Lage bringen. Bleibt bei mir auf dem Schlosse; ihr sollt ein