Full text: [Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband]] (Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband])

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I. Epische Poesie. 
Da murmelt er ,Knirps^ und knirscht mit den Zähnen 
Und stößt mich beiseite. Du, Sigfrid, du sagst mir 
Mein artiger Knabe^, du hebst auf dein Knie mich, 
75 Wann uns keiner nicht zusieht, du streichelst den Kopf mir 
Und schaukelst mich schön und erzählst mir Geschichten, 
Wie der Däumling so schlau, und der Riese so dumm war, 
Wie ein Zwerg dich gelehrt hat, die Welt zu bezwingen, 
Und dies Buckelmännchen dein bester Freund ist. 
80 Du tust spielen und spaßen, nie spotten und schelten, 
Du sagst, wenn man klug ist, da darf man schon klein sein. 
Ja du hast ein Herz sogar für den Helgi, 
Den armen Helgi, den alle verachten. 
Nein, du bist nicht böse, du bist der beste! 
85 Nur meine Mutter, die will es nicht merken. 
Ach sage doch, Sigfrid, ob es nicht sein kann, 
Daß du mein Papa wirst?" 
Mit pochendem Herzen 
Küßte Sigfrid den Kopf des Kindes, 
90 Und ihm troff in den Bart eine heimliche Träne. 
Er liebte den Knaben, und liebt' ihn leidvoll. 
Ein seltsam Gefühl durchschwoll ihm die Seele, 
Wann er die großen gramvollen Augen, 
Die zarten Züge, die welken Wangen, 
95 Das blasse Gesichtchen Helgis erblickte. 
Er schien sich dann schuld an dem traurigen Schatten, 
Der unverbannbar und angeboren 
Mit Schmerz umdunkelt dies arme Dasein. 
Dann fühlt er den Vorwurf, daß er der Vater 
100 Des Kleinen nicht sei, verklagend nagen 
An seinem Herzen; dann hob er hastig 
An seine Brust das Söhnchen Brunhilds, 
Als könnt' er es heilen, wenn er es so hielte 
Und aus der Fülle des eigenen Feuers 
105 Erwärmende Strahlen Hinüberströme 
In dies liebelechzende, frierende Leben. 
So herzt' er oft verstohlen dies Stiefkind des Glückes, 
Doch tat er das nie, wann die Mutter nah war. 
Nun regt sich heut auf die Rede Helgis 
110 In seinem Gemüt ein allmächtiges Mahnen. 
Und die schwarzen Locken des Lieblings streichelnd, 
Sagte Sigfrid mit sanfter Stimme: 
„Nein, ich bin nicht böse, mein altklug Bübchen, 
Mein herziger Helgi, nur heiß und heftig. 
115 Doch deine Mutter, — das mußt du dir merken 
Und ihr erzählen, — die hat recht, mir zu zürnen, 
Weil niemand, vernimm es, niemand, niemand
	        
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