Full text: Erstes deutsches Lesebuch

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Sohn, fürchte Gott, damit dein Jnn'res furchtlos sei; 
Denn Gottesfurcht nur macht von Menschenfurcht dich frei. 
Wenn Gott dich schlagen will, so braucht er nicht die Hand, 
Er nimmt dir, daß du selbst dich schlagest, den Verstand. 
O brich den Faden nicht der Freundschaft rasch entzwei! 
Wird er auch neu geknüpft, ein Knoten bleibt dabei. 
Zwar ist Vollkommenheit ein Ziel, das stets entweicht, 
Doch soll es auch erstrebt nur werden, nicht erreicht. 
5. Stufe „Leben". 
Auswendig lernen ist, mein Sohn, dir eine Pflicht; 
Versäume nur dabei inwendig lernen nicht! 
Auswendig ist gelernt, was dir vom Munde fließt; 
Inwendig, was dem Sinn lebendig sich erschließt. 
Mit Kindern brauchst du nicht dich kindisch zu gebärden; 
Wie sollen sie, wenn du ein Kind bist, Männer werden! 
Als wie der Mann das Kind, liebt auch das Kind den Mann; 
Nur der erzieht's, der es zu sich heraufziehn kann. 
Wenn Freiheit du begehrst, des Menschen höchste Zierde, 
Herrsch' über Leidenschaft und Neigung der Begierde. 
Doch bilde dir nicht viel auf diese Herrschaft ein; 
Des freien Willens Stolz ist, Gott gehorsam sein. 
6. Stufe „Prüfung". 
Lern ohne Klagen, Herz, ein brennend Weh ertragen; 
Der Kerze brennt der Kopf, doch hörst du sie nicht klagen. 
Aus reinem Stoff gemischt, still brennt sie, bis sie lischt; 
Rein ist nicht Wachs und Docht, wenn sie im Brennen zischt. 
Den einen siehst du nie, doch steht er dir zur Seiten, 
Den andern siehst du stets, der immer steht vom weiten. 
. Was steht am fernsten dir? Dein Wunsch in der Erfüllung; 
Und was am nächsten, Mensch? Dein Tod in der Verhüllung. 
12. Stufe „Frieden." 
Aug. v. Maten. 
Aufmunterung. 
Schön ist's, Großes zu thun und Unsterbliches. Fühl' es, o Jüngling! 
Früh von der Stirne mühvoll rinne der männliche Schweiß! 
Aber vergiß niemals, daß stets die geschwätzige Trägheit, 
Wertlos, ohne Verdienst, große Verdienste beschmutzt! 
Skizze. 
Oftmals zeichnet der Meister ein Bild durch wenige Striche, 
Was mit unendlichem Wust nie der Geselle vermag. 
E. Geibel. 
Immer behalte getreu vor Augen das Höchste; doch heute 
Strebe nach dem, was heut du zu erreichen vermagst! 
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