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Doch seine des Schwertes gewohnte Hand brachte es darin nie zu
großer Fertigkeit. Eifrig las er fromme Bücher und Heldenge¬
schichten. Seine Muttersprache war ihm teuer. Die alten deutscheil
Volks- und Heldenlieder ließ er sammeln. Doch sprach er auch
ganz geläufig lateinisch, und inr Griechischen konnte er wenigstens
ein Buch verstehen. Wie sehr er die Wissenschaften liebte, zeigte
er durch die hohe Achtung und Ehre, welche er gelehrten Männern
erwies. Manche derselben zog er an seinen Hof und verkehrte
mit ihnen wie mit Freunden. Sie waren zugleich die Lehrer sei¬
ner Söhne; denn er hielt darauf, daß diese nicht nur alle ritter¬
lichen Übungen lernten, sondern auch in den Wissenschaften unter¬
richtet wurden. Seine Töchter dagegen mußten sich nach guter
alter Sitte mit Wollarbeiten, Spinnen und Weben beschäftigen.
4. Karls Wirken in der Ferne.
Frommen Sinnes wie er war, besuchte Karl täglich, früh
und nachmittags, die Kirche. In Aachen baute er einen pracht¬
vollen Dom. Seine Wohlthätigkeit erstreckte sich nicht allein auf
die eigenen Unterthanen, sondern seine milden Gaben gingen
sogar über das Meer, nach Jerusalem und nach Afrika hin, wo
er von notleidenden Christen hörte; und hauptsächlich darum
unterhielt er Freundschaft mit den Königen jener entfernten Län¬
der, daß diese Wohlthaten den armen Christen unter ihrer Herr¬
schaft desto sicherer zukämen. Und die Könige der Araber in Asien
und Afrika ehrten den großen Christcnkaiser, schickten Gesandte an
ihn und brachten Geschenke dar. Der mächtigste Herrscher des
Morgenlandes schickte ihm einen Elefanten von wunderbarer Größe,
köstliche Gewürze, ein prächtiges Zelt und eine Uhr, die durch
ihre künstliche Einrichtung in Erstaunen setzte. War's 12 Uhr
mittags, so sprangen an der einen Seite derselben Thüren auf,
und es ritten 12* Reiter hervor und an der andern Seite wieder
hinein. Karls Gegengeschenke bestanden in Pferden, trefflichen
Jagdhunden, feiner Leinwand und anderen Weberarbeiten, welche
die fränkischen Frauen sehr geschickt zu fertigen verstanden.
5. Karls Ende.
Die letzten Jahre des großen Kaisers waren durch recht
schmerzliche Verluste getrübt. Zwei treffliche Söhne starben ihm,
und so blieb ihm nur sein jüngster Sohn, Ludwig, übrig. Als
nun der Kaiser fühlte, wie seine Kräfte abnahmen und sein ©übe
herannahte, versammelte er in Aachen die Großen seines Reiches
und stellte ihnen seinen Sohn Ludwig als Nachfolger in der
Kaiserwürde vor. Dann begab er sich im vollen Kaiserschmucke,