Full text: Geschichte des Mittelalters und der Reformationszeit (Teil 8)

II. Aus dem Menschenleben. 
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^.der der Knabe, dem die Hand gehörte, und der eben seine 
letzten Pfennige hergegeben hatte, war schon wieder fort, ehe die 
Bauernfrau sich bedanken konnte. 
Wollt ihr wissen, wie der Knabe hieß? — Er hieß Oberlin 
und wurde später Pfarrer im Steintal. A(L stöber> 
72. Das H>a1cngeschenk. 
In Würzburg hat einmal ein reicher und vornehmer Mann den 
Fürstbischof Julius gebeten, daß er ihm sein Söhnlein aus der Taufe 
heben möchte. Der Bischof, der ein wohlwollender Herr war und dem 
vornehmen Manne sehr gewogen, nahm die Patenstelle an und erschien 
auch zum Kindtaufschmaus. Da ging es hoch her, die Tische krachten 
und bogen sich, so viel Gebratenes und Gebackenes stand darauf in 
silbernen Schüsseln, und der köstlichste Frankenwein floß in Strömen. Der 
vornehme Vater des Täuflings war aber nicht gleichermaßen vornehm 
von Gesinnung; er gedachte vielmehr eine Wurst nach der Speckseite zu 
werfen, wie man zu sagen pflegt, wenn einer einem etwas schenkt oder 
eine Artigkeit erweist nicht aus Freundschaft, sondern um etwas Wertvolles 
dafür wiederzubekommen. Der hochwürdige Herr Gevatter schenkte aber 
vorläuflg noch nichts, jedoch sagte er beim Abschied: „Morgen soll auch 
der kleine Julius sein Patengeschenk haben!" 
So sah bemt der Kindtaufsvater andern Tags fleißig zum Fenster 
hinaus und wartete, ob er nicht einen betreßten Diener kommen sähe 
mit etwas auf dem Arm oder gar einen wohlbepackten Wagen. Endlich 
erschien denn auch ein Bote vom Bischof. Aber er hatte nur ein kleines 
Henkelkörbchen am Arme, das stellte er aus den Tisch und sagte: „Eine 
Empfehlung von seiner Fürstbischöflichen Gnaden, und hier wäre das 
Patengeschenk!" Und damit war der Diener auch schon fort und zur 
Tür hinaus. 
Wie man aber den Deckel des Körbleins aufhob, da waren lauter 
ausgesuchte, köstliche Trauben drin. Da nahm der Gevatter ohne 
Umstände alsbald das Körbchen und schickte es wieder in den bischöf¬ 
lichen Palast: „Eine schöne Empfehlung, und der kleine Säugling 
könne noch keine Trauben essen; die Eltern des Tauskindes aber hätten 
ebensolche in ihrem Weinberg und noch viel schönere. Darum wäre 
es besser, wenn seine Fürstbischöflichen Gnaden etwa einem armen 
Kranken ein Labsal bereiten wollten mit diesen köstlichen Früchten." 
Was tut aber der Fürstbischof? Er packt in Gegenwart des Boten, der 
das Körbchen zurückgebracht hatte, in aller Seelenruhe die Trauben aus 
und sagt dabei: „Euer Herr mag recht haben; es ist gewiß auch besser, 
wenn arme Kranke mein Patengeschenk bekommen!" Und damit war er 
auf den Boden des Körbchens gekommen, nahm ein Papier heraus, das
	        
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