-lö¬
ste sich danach sehnten, ihre alte Freiheit wieder zu erlangen und die
Unterdrücker zu vertreiben. Lange Zeit konnten sie indeß nichts unter¬
nehmen, da es ihnen an einem kräftigen Heerführer fehlte und die
Macht der Römer übergroß war. Als aber Nero im I. 68 ermordet
worden war und nun Zwistigkeiten wegen der Kaiserwahl ausbrachen,
da glaubten sie die Zeit gekommen, das verhaßte Joch abzuwerfen, und
forderten die stammverwandten Friesen und auch die Brukterer (die
im nordwestlichen Theil Westfalens wohnten) zn einem Bündniß auf.
An ihre Spitze stellte sich Claudius Civilis, der Abkömmling eines
alten batavischen Fürstengeschlechts. Er war ein tapfrer, beredter, frei¬
heitliebender Mann und hatte lange Jahre im römischen Heere gedient.
Weil er nur ein Auge besaß, verglichen ihn die Römer gern mit Hanni-
bal, dem er auch an kühner List ähnlich war. Als er in sein Vater¬
land zurückgekehrt war und gesehen hatte, wie seine Landsleute unter
der römischen Herrschaft litten, wie die Frucht ihres Schweißes und
ihrer Mühe nach Rom wanderte, um dort von den elenden Kaisern
verpraßt zu werden; als er sah, wie die kräftigsten Jünglinge in den
Heeren ihrer Unterdrücker Gesundheit und Leben opfern mußten, da
erfaßte ihn ein tiefer Ingrimm, und er beschloß, seine ganze Kraft für
die Befreiung seines Volkes einzusetzen. Obwohl er seine Absicht klug
zu verbergen suchte, wurde er doch den argwöhnischen Römern ver¬
dächtig; sie nahmen ihn nebst seinem Bruder gefangen und schickten sie
nach Rom. Das Gericht verurtheilte den Bruder zum Tode und ließ
ihn hinrichten; er dagegen wurde freigesprochen und in seine Heimat
entlassen, doch gab man ihm die Mahnung mit, sich künftig so zu
betragen, daß kein Verdacht ihn treffen könne. Aber Claudius Civilis
war nicht der Mann, sich abschrecken zu lassen; der Tod des geliebten
Bruders bestärkte ihn vielmehr in seinem Hasse gegen die Römer, und
er schwur, nicht eher Haupthaar und Bart scheeren zu lassen, bis er
seine Rache befriedigt habe. Er lud die vornehmsten Häuptlinge der
Bataver, Friesen und Brukterer zu einer nächtlichen Berathung in
einem heiligen Hain ein und forderte sie hier zu offener Empörung
auf. „Ich habe euch eingeladen, ihr edlen Genossen," sprach er zu
ihnen, „weil ich weiß, daß ihr gleich mir die Schmach fühlt, der wir
anheimgefallen sind. Aus uns, die wir ehemals tugendhaft und frei auf
dem heimatlichen Boden lebten und uns bei unfern alten Gesetzen und
Ordnungen glücklich fühlten, ist ein Sklavenvolk geworden, das vor den
Ueberwindern im Staube kriecht und sich geduldig den Fuß auf den
Nacken setzen läßt. Und waren wir noch einem tapfern und edlen Volke
erlegen, dann wäre unsere Schmach zu tragen; denn der Tapfere ist
Herr in der Welt und ihm gebührt die Herrschaft. Aber was sind diese
Römer? Ein Volk, bei dem alle nur möglichen Laster, für die unsere
Sprache kaum einen Namen hat, bei jung und alt verbreitet sind;
ein Volk, das nichts kennt als Geldgier und Sinnengenuß; ein Volk,