Contents: Europa und Deutschland (Teil 5)

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ste sich danach sehnten, ihre alte Freiheit wieder zu erlangen und die 
Unterdrücker zu vertreiben. Lange Zeit konnten sie indeß nichts unter¬ 
nehmen, da es ihnen an einem kräftigen Heerführer fehlte und die 
Macht der Römer übergroß war. Als aber Nero im I. 68 ermordet 
worden war und nun Zwistigkeiten wegen der Kaiserwahl ausbrachen, 
da glaubten sie die Zeit gekommen, das verhaßte Joch abzuwerfen, und 
forderten die stammverwandten Friesen und auch die Brukterer (die 
im nordwestlichen Theil Westfalens wohnten) zn einem Bündniß auf. 
An ihre Spitze stellte sich Claudius Civilis, der Abkömmling eines 
alten batavischen Fürstengeschlechts. Er war ein tapfrer, beredter, frei¬ 
heitliebender Mann und hatte lange Jahre im römischen Heere gedient. 
Weil er nur ein Auge besaß, verglichen ihn die Römer gern mit Hanni- 
bal, dem er auch an kühner List ähnlich war. Als er in sein Vater¬ 
land zurückgekehrt war und gesehen hatte, wie seine Landsleute unter 
der römischen Herrschaft litten, wie die Frucht ihres Schweißes und 
ihrer Mühe nach Rom wanderte, um dort von den elenden Kaisern 
verpraßt zu werden; als er sah, wie die kräftigsten Jünglinge in den 
Heeren ihrer Unterdrücker Gesundheit und Leben opfern mußten, da 
erfaßte ihn ein tiefer Ingrimm, und er beschloß, seine ganze Kraft für 
die Befreiung seines Volkes einzusetzen. Obwohl er seine Absicht klug 
zu verbergen suchte, wurde er doch den argwöhnischen Römern ver¬ 
dächtig; sie nahmen ihn nebst seinem Bruder gefangen und schickten sie 
nach Rom. Das Gericht verurtheilte den Bruder zum Tode und ließ 
ihn hinrichten; er dagegen wurde freigesprochen und in seine Heimat 
entlassen, doch gab man ihm die Mahnung mit, sich künftig so zu 
betragen, daß kein Verdacht ihn treffen könne. Aber Claudius Civilis 
war nicht der Mann, sich abschrecken zu lassen; der Tod des geliebten 
Bruders bestärkte ihn vielmehr in seinem Hasse gegen die Römer, und 
er schwur, nicht eher Haupthaar und Bart scheeren zu lassen, bis er 
seine Rache befriedigt habe. Er lud die vornehmsten Häuptlinge der 
Bataver, Friesen und Brukterer zu einer nächtlichen Berathung in 
einem heiligen Hain ein und forderte sie hier zu offener Empörung 
auf. „Ich habe euch eingeladen, ihr edlen Genossen," sprach er zu 
ihnen, „weil ich weiß, daß ihr gleich mir die Schmach fühlt, der wir 
anheimgefallen sind. Aus uns, die wir ehemals tugendhaft und frei auf 
dem heimatlichen Boden lebten und uns bei unfern alten Gesetzen und 
Ordnungen glücklich fühlten, ist ein Sklavenvolk geworden, das vor den 
Ueberwindern im Staube kriecht und sich geduldig den Fuß auf den 
Nacken setzen läßt. Und waren wir noch einem tapfern und edlen Volke 
erlegen, dann wäre unsere Schmach zu tragen; denn der Tapfere ist 
Herr in der Welt und ihm gebührt die Herrschaft. Aber was sind diese 
Römer? Ein Volk, bei dem alle nur möglichen Laster, für die unsere 
Sprache kaum einen Namen hat, bei jung und alt verbreitet sind; 
ein Volk, das nichts kennt als Geldgier und Sinnengenuß; ein Volk,
	        
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