Entwicklung in der zweiten Hälfte des griechischen Mittelalters,
Während so die an der Küste wohnende und seefahrende Bevölke-
rung Griechenlands über die engen Schranken, die bisher ihre Wirt-
schaft umschlossen, hinaustrat, entfaltete sich auch auf geistigem
Gebiete ein reges Leben. Die Lyrik entstand. Die Heimat des
tief empfundenen Liedes ist die Insel Lesbos, das Vaterland des
Alkaios und der <Sappho. An sie schloß sich Anakreon von
Teos an, der noch in grauem Haar von Wein und Liebe sang. Auch
Solon war ein Dichter; er legte seine politischen Überzeugungen in
Distichen nieder. Auf dorischem Boden hat die Chordichtung ihren
Ursprung. Chöre wurden unter Musikbegleitung in feierlichem Reigen
bei Festen vorgetragen; sie behandelten in lyrischer Form die alten
Götter- und Heldensagen; auch wenn sie als Siegeslieder den Sieg in
der Rennbahn feierten, knüpften sie gern an die Mythe an. Zu den
Chordichtern gehört u.a. Ibykos von Rhegion; der größte unter
ihnen ist Pindar ans Theben, der Zeitgenosse der Perserkriege.
In dieselbe Zeit, als man „die Welt und den Menschen entdeckte", Philosophie
fallen die Anfänge philosophischen Nachdenkens. Zu den sogenannten
„sieben Weisen", denen man die Aufstellung allgemeiner Lebensgrund¬
sätze zuschrieb (wie „erkenne dich selbst", „nichts im Übermaß"), rechnete
man den Athener Solon und Thaies von Milet. Dieser darf für
den ersten griechischen Philosophen gelten. Er suchte für die Vielheit
der Dinge nach einem Urstoff und erklärte als solchen das Wasser. An
die ionische Naturphilosophie schloß sich der tiefsinnige Denker Hera-
kleitosvon Ephesos an (um 500). Er ging von der Beobachtung des
ewigen Werdens in der Natur aus: „alles ist im Fluß"; es gibt nur
ein Werden, kein Sein; der Krieg ist ihm der Vater aller Dinge. Zu¬
gleich Denker und Prophet war Pythagoras, der Samier, der im
6. Jahrhundert nach Unteritalien übersiedelte. Er verlangte Reinigung
der Seele von ihren Sünden und gründete in Großgriechenland eine
Genossenschaft, deren Zweck eine Erneuerung des sittlich-religiösen
Lebens war; er verkündete die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele,
und zwar in der Form der Seelenwanderung.
§ 29. Bürgertum und Tyrannis. Die Folge des wirtschaftlichen
Aufschwungs war, daß sich zwischen dem grundbesitzenden Adel und dem
abhängigen Bauernstand ein neuer Stand erhob, ein gewerbtätiges
und handeltreibendes Bürgertum. Bald machte der neue (StaubIo
Ansprüche. Er fühlte sich nicht nur im Besitze eines selbsterworbenen Bürgerwms
Vermögens, sondern auch einer selbsterworbenen Bildung; er führte die