Full text: Deutsche Geschichte von der Französischen Revolution ab (Teil 5)

König Wilhelms I. Anfänge. 
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standen, wegen der Lauterkeit seines Wesens, seiner tiefinnerlichen Selbst- 
losigkeit, Bescheidenheit und Frömmigkeit auf das höchste verehrten. Von 
dem Gefühl für Preußens Ehre und Größe war er tief durchdrungen. Daß 
Preußen „berufen sei, an die Spitze Deutschlands zu treten", war längst 
seine innerste Überzeugung. Am nächsten hatte ihm von jeher die Armee 
gestanden. An ihr hatte er Gebrechen bemerkt, die ihm eine Reform als 
dringend nötig erscheinen ließen; und an diese hatte er bereits als Prinz- 
regent die Hand gelegt. 
§ 52. Die Heeresresorm und der Konflikt. Obwohl in Preußen ge- Heeresreform, 
setzlich die allgemeine Wehrpflicht galt, konnte sie doch nicht durchgeführt 
werden, da es an Regimentern fehlte, um die jährlich wachsende Zahl der 
Wehrfähigen aufzunehmen. Man hob immer noch ebensoviel Rekruten 
aus wie im Jahre 1815, nämlich 40 000, und doch war die Bevölkerung 
seit jener Zeit von elf auf achtzehn Millionen gestiegen. Das hatte zur 
Folge, daß im Falle einer Mobilmachung, wie im Jahre 1859, eine große 
Zahl verheirateter Landwehrmänner aufgeboten werden mußte, während 
zahlreiche diensttaugliche junge Leute nicht eingestellt wurden. Der Plan 
des Prinzregenten war nun, durch Schaffung neuer Regimenter die Feld- 
armee wesentlich zu verstärken, um so die jährliche Einstellung von 63 000 
Rekruten zu ermöglichen. Er hatte die Einzelheiten der Ausführung dieses 
Planes so eingehend erwogen, daß er die Armeereform als sein eigenstes 
Werk bezeichnen durfte. Sein treuer und erfahrener Genosse aber in ihrer 
Durchführung war Albrecht von Roon, den er zum KriegsministerRoon. 
ernannt hatte. Roon war im Jahre 1803 geboren und hatte seine Er- 
ziehung im Kadettenhause erhalten. Als Offizier war er früh in den 
Generalstab berufen worden; später ging er mit dem Prinzen Friedrich 
Karl, dem Neffen des Königs, als dessen militärischer Begleiter auf einige 
Jahre nach Bonn. Zuletzt hatte er eine Division kommandiert. Dem 
Prinzregenten war er längst bekannt als vorzüglicher Offizier und als ein 
Charakter von unantastbarer Lauterkeit, von unbedingter, ritterlicher Ehren- 
haftigkeit, von eiserner Willenskraft und zugleich von herzlicher, aufrichtiger 
Frömmigkeit, als das Musterbild eines preußischen Soldaten. 
Als nun der Reformplan im Jahre 1860 dem Abgeordnetenhause vor¬ 
gelegt wurde, stieß er bei der Mehrheit auf Schwierigkeiten. Diese war 
nur dann zur Bewilligung geneigt, wenn die Regierung auf die dreijährige 
Dienstzeit verzichtete und statt ihrer die zweijährige Dienstzeit einführte; 
darin aber waren der König und Roon auf Grund ihrer militärischen Er- 
fahrung einig, daß die dreijährige Dienstzeit unentbehrlich sei. Schließlich
	        
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