Full text: Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit (Teil 5)

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selben Zeit zurücklegt. Dieses Wettrennen, welches auch bei den 
Tataren, Türken und anderen Völkern zum Vergnügen angestellt 
wird, zeigt freilich nur, was die größte Änstrengung vermag, und 
diese kann nicht lange dauern. Aber auch die gewöhnliche Ge— 
schwindigkeit eines güten Pferdes, die es ohne Schaden mehrere 
Stunden nacheinander fortsetzen kann, ist iminer schon beträchtlich 
genug und für uns in vielen Fällen ausnehmend wichtig. Untet 
unseren Haustieren kann kein anderes in dieser Hinsicht seine Stelle 
ersetzen. Auch in Ansehung der Stärke behauptet es diesen Vorzug. 
Der Ochse ist zum Ziehen und nicht zum Tragen, der Esel zum 
Tragen und nicht zum Ziehen geschickt; beide Eigenschaften sind im 
Pferde vollkommen vereinigt. Ein englisches Zugpferd zieht drei 
bis viertausend Pfund, und ein gutes Lastpferd trägt 210 eng— 
lische Pfund, eine Last, die selbst kleinen Kamelen zu schwer sein 
würde. 
Mit der Stärke vereint es Herzhaftigkeit und kriegerischen 
Mut. Es ist das einzige Tier auf dem Erdboden, das mitten im 
Getümmel der Schlacht weder flieht noch in wilde Wut gerät. Der 
Elefant, welcher das Pferd an Größe und Körperkraft übertrifft, 
ist seit der Erfindung des Feuergewehrs zum Kriege unbrauchbar. 
Der Anblick des blitzenden Feuers hat für dieses kolossale und sonst 
ebenfalls kühne Geschöpf etwas so Schreckliches, daß es seine Riesen— 
stärke vergißt und flieht. Nur berauscht hält es allenfalls stand, 
wie jeder feige Held. Und auch in älteren Zeiten, da der Gebrauch 
des Feuergewehrs noch unbekannt war, machte der Schmerz der 
Wunden und das hervorquellende Blut den Elefanten so wütend, 
daß er dem Heere, für welches er stritt, ebenso gefährlich ward 
als den Feinden, und so oft den Sieg vereitelte. Wie ganz anders 
beträgt sich unser streitbares Roß! Wie unerschrocken im Feuer 
und Pulverdampf! Wie heldenmülig bei Verwundungen! Nur da, 
wo auch der tapferste Krieger den Naturgefühlen erliegen muß, 
sieht man es wanken und finken. Aber kein Angstgeschrei, kein 
Klageton entfährt ihm. Den meisten anderen Tieren dieser Klasse, 
selbst solchen, die sonst nie eine Stimme hören lassen, preßt der 
Schmerz ein Winseln und Heulen aus. Das Pferd aber wiehert 
nur vor Wollust und Freude oder in der Hitze des Streiles. 
Höchst selten entfährt ihm ein unwillkürlicher Laut, der dem Klage— 
ton gleicht. Alle diese heroischen Eigenschaften machten es kriege— 
rischen Nationen von jeher lieb und wert. Eine wohlgeübte Reiterei, 
welches Übergewicht giebt sie nicht am Tage der entscheidenden 
Schlacht! Dem tapferen Hannibal halfen die trefflichen nuimidischen 
Reiter auf ihren kräftigen Berberroffen großenteils zum Siege, und 
jene Handvoll Spanier, die in einem fremden Erdteile große König— 
reiche eroberte und zahlreiche Heere schlug, verdankte diese Siege 
zur Hälfte dem Schrecken der Rosse. 
Ohne das Pferd hätte die Erde eine andere, d. h. eine viel 
traurigere Gestalt gewonnen. Woher hätten all die Zugochsen
	        
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