Full text: Deutsche Geschichte bis zum Westfälischen Frieden (Teil 4)

Die Neuzeit. 
IV. Das Zeitalter der religiösen Kämpfe. 
1519 — 1648. 
Der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. 
Mittelalter und Neuzeit. 
§ 114. Das Leben des M i t t e l a l t e r s wird beherrscht und ge- ^ Genoffen 
kennzeichnet durch das Vorwalten genossenschaftlicher Ver -Mmelauers. 
bände. Wenn das Altertum den Staatsbegriff als den alles beherrschen¬ 
den ausgebildet hatte und der antike Mensch in erster Linie Bürger des 
Staates gewesen war, so erschien dem Mittelalter der einzelne Mensch zu¬ 
erst als Glied einer Genossenschaft: auf der Zugehörigkeit zu ihr beruhte 
seine rechtliche Stellung; sie beherrschte ihn, ordnete sein Verhalten, um¬ 
gab ihn mit regelnden Schranken; aber sie sorgte zugleich für ihn und 
förderte seine Interessen. Solche Genossenschaften sind die Stände, die 
Lehnsverbände, die das Wirtschaftsleben beherrschenden Markgenossen¬ 
schaften, Kaufmannsgilden und Zünfte, schließlich die kirchlichen Genossen¬ 
schaften. Wie sie in das Leben des Individuums allenthalben be¬ 
schränkend eingrisfen, so überwucherte die reiche Mannigfaltigkeit der stän¬ 
dischen und genossenschaftlichen Sonderbildungen den Staat und unter¬ 
grub seine Wirksamkeit; der Staatsbegriff, einst dem römischen Kaisertum 
entnommen und daher universal, kam dem Mittelalter beinahe abhanden. 
Mächtiger aber als alle Vereinigungen hatte sich die Kirche ent- mtjxu 
faltet. Die Kirche hatte um die Erziehung der mittelalterlichen Kirche. 
Völker die allergrößten Verdienste; sie hatte ein Evangelium der Liebe ver¬ 
kündet, sie war nicht müde geworden, die Selbstsucht des natürlichen 
Menschen durch die Predigt der Demut und Entsagung zu bekämpfen und 
ihn auf das Jenseits hinzuweisen, sie hatte die Armen- und Krankenpflege 
in großem Maßstabe getrieben, sie hatte den Sonntag geheiligt, war ein
	        
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