Full text: Deutsche Geschichte bis zum Westfälischen Frieden (Teil 4)

12 
Deutsche Geschichte bis zur Gründung des nationalen Staats 919. 
Mytho¬ 
logie. 
mütig herabsah und die Tage in trägem Nichtstun/) in Trunk und Spiel 
zu verbringen liebte; ein einfaches und derbes Volk, dessen sinnige Gemüts¬ 
tiefe sich z. B. in seiner Auffassung der Ehe, in der Verehrung der Frau, 
in der Mannentreue, in dem Sinn für das Symbolische spiegelt, keusch und 
unverdorben, von unerschöpflicher Kraft?) 
Die Ideale des Volkes spiegeln sich in seiner Mythologie: einer 
Mythologie des Kampfes, in der die Äsen, die lichten, freundlichen Götter, 
mit den Riesen, den Personifikationen wilder, zerstörender Naturgewalten, 
in fortwährendem Streit liegen und die höchsten Gottheiten, ursprünglich 
die Verkörperungen von Naturerscheinungen, zu Kampfgöttern geworden 
sind. So wurde der Himmelsgott Z i u (Zeus), auch Saxnot genannt, den 
vorzugsweise die Herminonen verehrten, zum Kriegsgott, der durch 
Schwerttänze verehrt wurde. Der Gewittergott Donar (nord. Thor), 
der vom Donnerwagen herab den Hammer schleudert, war der eifrigste 
Bekämpfer der Riesen; später, als die Germanen sich zu einem Bauern¬ 
volk umwandelten, ward er mehr und mehr zum Beschützer der Saaten 
und des Ackerbaus. Wodan (nord. Odhin), der allmählich zur Stellung 
des höchsten Gottes emporstieg, war ursprünglich der Gott der Lüfte und 
des Sturmes, der einäugige Wanderer im himmelblauen Mantel und 
Wolkenhut. Auch er wird insofern ein Gott des Krieges und des Sieges, 
als er von den Walkyren die gefallenen Helden zu sich herauftragen läßt 
und sie in Walhall um sich sammelt; zugleich aber ist Wodan der runen¬ 
kundige 3) Gott aller geistigen Tätigkeit, der Erfindungen, der Dichtkunst, 
der Heilkunst. Als eine Erdgöttin bezeichnet Tacitus N e r t h u s, von 
deren Jnselheiligtum und jährlichem, segenspendendem Umzug er erzählt. 
Genauer sind wir über die Mythologie der Nordgermanen 
unterrichtet; diese liegt uns in der E d d a vor, deren Lieder nicht vor dem 
neunten Jahrhundert entstanden sind. Da erscheint als Odhins Gemahlin 
Frigg oder F r i j a, die fürsorgende Erdmutter und Göttin der Ehe. 
Mit ihr ist Freyja verwandt, die Göttin des Liebreizes; deren Bruder 
ist F r e y r oder F r o , der auf goldborstigem Eber über die Ahrenfelder 
reitet. Odhins jugendschöner Sohn ist B a l d e r, ein leuchtender Sonnen¬ 
gott, den sein blinder Bruder Hödur auf Lokis Anstiften mit dem Mistel¬ 
zweig erlegt. L o k i ist der heimtückische, hinterlistige Gott der Zerstörung, 
1) Mira diversitate naturae, cum iidem homines sic ament inertiam et 
oderint quietem. 
2) Nemo illic vitia ridet nec corrumpere et corrumpi saeculum vocatur. — 
Plus ibi boni mores valent quam alibi bonae leges. 
3) Die Runenschrift, der man Zauberwirkung zuschrieb, ist aus dem lateinischen 
Alphabet abgeleitet.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.