Full text: Geschichte des Altertums (Teil 1)

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A. Der Orient. 
II. Die Semiten. 
Gemeinsame Charakterzüge der semitischen Yölker: 
Nüchternheit des Denkens, berechnender, auf das Praktische gerich¬ 
teter Verstand, der die Gebilde der Phantasie durchaus beherrscht. 
Wir finden überall die Geschlossenheit und Heiligkeit der Familie 
und die Herrschaft einer patriarchalischen Geschlechtsaristokratie; 
für höher entwickelte staatliche Bildungen fehlt den Semiten die 
Begabung. — Ihre Religion: in der Natur wirken freundliche 
und feindliche Dämonen; ein ethisches oder mystisches Verhältnis 
des Menschen zu ihnen ist unbekannt. Jeder Stamm steht unter 
der Herrschaft seines „Herrn“ (Baal) bezw. seiner „Herrin“ (Baalat), 
Gottheiten des Naturlebens, die bei den verschiedenen Stämmen 
verschiedene Namen führen (der „Baal“ von Tyrus heifst Melqart, 
der der Hebräer Jahwe [Jehowa] u. s. w.; die „Baalat“ heifst 
meistens [griech.] Astarte) und vor denen die Menschen als ihre 
Knechte im Staube liegen. Der Kultus ist mafslos blutdürstig, 
derjenige der Göttinnen widerlich unzüchtig. 
1. Die semitischen Völker bis zur Aufrichtung der 
assyrischen Grofsmacht. 
a) Das alt-babylonische Reich. In sehr alter Zeit1 dringen 
die semitischen Chaldäer in das untere Euphratthal und bemäch¬ 
tigen sich der dort vorhandenen hoch entwickelten Kultur eines 
später untergegangenen Volkes unbekannter Rasse. Anfangs zer¬ 
fiel das Land in mehrere kleine Stadt-Staaten; allmählich wurde 
Babylon die Hauptstadt Chaldäas. — Die Babylonier wurden die 
Lehrmeister des gesamten Abendlandes in der Astronomie und 
Mathematik, der Kunst des Messens und Wägens. Alle Pflege 
der Gelehrsamkeit, auch die Schrift (Keilschrift), war in den Hän¬ 
den eines geschlossenen Priesterstandes. Alle Bauwerke waren 
aus Holz oder Ziegeln (Grund!); die Tempel bestanden aus 3 bis 
8 terrassenförmig aufsteigenden Stockwerken (Turm des Bel zu 
Babylon). 
1) Die vorsemitisclie Kultur Babyloniens scheint noch älter als die ägyp¬ 
tische zu sein.
	        
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