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bei der Wiege sitzt. Hier auf dem Lande sind wir ganz anders gewöhnt.
Sobald wir des Abends unser Gebet gethan haben, so sind wir in Gottes
Gewalt; und nun mag es regnen und schneien, stürmen und wehen, so
können alle vier Elemente uns wohl aus dem Bett bringen, wie es auch
das Wasser noch vorige Nacht gethan hat; aber sonst denken wir: Was
Gott will, das geschehe! und damit schlafen wir ruhiger ein, als wenn
alle Wächter aus der Stadt uns die Ohren voll bliesen. Wer dem lieben
Gott vertraut, dem steht er in allen seinen Nöten wunderbarlich bei. — Der
Bürger zwischen seinen hohen Mauern mag sich vor Dieben fürchten, mir
ist es noch nicht eingefallen; und wie mir in den teuren Jahren mein
Backofen erbrochen wurde, so bat ich Gott, daß er mich nicht in die Not
setzen möchte, ein Gleiches zu thun.“
Ich verließ den Mann, um ihn von der Ausbesserung seiner Hütte
nicht länger abzuhalten, machte aber doch die natürliche Anmerkung, daß
die Religion auf dem Lande weit stärker sei als in den Städten, und
sagte zu mir selbst: wie wollten dergleichen Leute fertig werden, wenn sie
nicht einen so starken Glauben hätten? Dieses führte mich endlich auf den
Schluß, daß, wenn auch die sogenannte feinere Welt alle Religionen aus
der Welt wegdisputierte, die Bedürfnisse des Landmanns sie immer wieder
zurückrufen würden; die Not würde überall und allemal wieder beten lehren.
Möser.
59. Macht des Gebetes.
Das Schiff „Cornelia“ befand sich auf einer Reise im Weltmeere und
war weit von der amerikanischen Küste entfernt, als ein heftiger Sturm
losbrach, der fünf Tage lang anhielt und das Schiff in eine solche Gefahr
brachte, daß die Mannschaft sich fast für verloren ansah. Gerade als das
Unwetter am wütendsten töbte und das Schiff wie einen Spielball haus—
hoch hinauf- und hinabschleuderte, kam oben das Takelwerk am Hauptmast
in Unordnung, und der Schaden mußte zurechtgebracht een dunn in
dem Tumult des Sturmwindes auf den Mast zu klettern, schien fast un—
möglich; es war ein Wagestück auf Leben und Tod. Der Steuermann be—
fahl kurzweg einem Schiffsjungen, er solle hinauf. Der war ein junger,
zarter Bursche, kaum dreizehn Jahr alt, das einzige Kind einer armen
Witwe, welche ihr Liebstes hatte in die Welt gehen lassen, weil sie selber
kaum satt zu essen hatte
Als der Junge den Befehl vom Steuermann empfangen, hob er seine
Mütze auf, blickte hinauf nach der Spitze des Mastes und wieder hinab
in die schäumenden Wellen, die wie mit Ruten gepeitscht übers Verdeck
schlugen und nach ihm die Wasserarme ausstreckten; und dann sah er den
Steuermann an. Er schwieg einen Augenblick; darauf sagte er: „Ich
komme gleich!“ — Und er sprang übers Verdeck fort in die Kajüte. Eine
Minute verging, dann kehrte er zurück, und nun ging's die Strickleiter
hinauf, flink und entschlossen.
Der Mann, welcher diese eschichte erzählt hat, stand unten am Maste,
und seine Blicke folgten dem Kinde, bis ihm schwindelte. Er fragte den
Steuermann: „Warum schickst du den hinauf? Er kommt nicht lebendig
herunter!“ — Der Steuermann antwortete: „Männer fallen, Jungen
stehn. Der klettert wie 'ne Eichkatze!“