— 146 —
war eine Künstlernatur mit halben und halberstickten Talenten, ein Di-
lettant in Kunst und Wissenschaft. Der Vater mar ein nüchterner Charakter
ohne Schwung, bescheiden, aber beständig gewesen; der Sohn war für
Eindrücke wie eine 5rau empfänglich, ein Schwärmer und ein Phantast.
Der Vater war ein Pflichtmensch gewesen, ein braver, trockener, beschränkter
Mann- der Sohn war ein Romantiker und ein vortrefflicher Kopf, be¬
rühmt wegen seiner Einfälle und Witze. Der Vater war hoch, schlank,
soldatisch in Haltung, Gang und Kleidung gewesen,- der Sohn hatte runde,
volle Züge, welche an diejenigen der Königin Luise erinnerten, war mehr
fett als muskulös, hastig und unstät in seinen Bewegungen, mitteilsam,
gesellig, stets sprechend. Der Vater war zuverlässig gewesen,- der Sohn
war interessant. In ihren Gegensätzen erinnern sie etwas an Fried-
rich VI. und Christian VIII. von Dänemark.
So vorzügliche Erzieher Friedrich Wilhelm IV. auch als Kronprinz
in allem Militärischen gehabt hatte, so hegte er doch für das Militär-
mefen kein Interesse. Wohl nannte er sich gern einen preußischen Offizier,
aber er wurde den Zwang und die Pedanterie müde, die unumgänglich mit
dem Heerwesen im Frieden verbunden sind, und er spottete zuweilen in
ganz unhohenzoUernschem Geiste über den paradedienst. Aber er konnte
auch zuweilen, ganz gegen seine Gewohnheit, als heerführer Feuer und
Stamme werden. All diese Militärmusik, all dies waffenklirren, diese
Kommandorufe und Salven bei den Revuen versetzten ihn in eine poetische
Aufregung — bei einem großen Manöver hatte er sogar einmal, von
kriegerischer Begeisterung fortgerissen, den Scheinkampf noch in der Stadt
Berlin fortgesetzt, unbekümmert um die hervorgerufene Verwirrung und
um die hunderte von Fensterscheiben, welche bei den Kanonensalven in
den Straßen sprangen (Prutz, Zehn jähre I, 77).
In der Regel jedoch verkehrte der Kronprinz mit Männern der Wissen¬
schaft und mit Künstlern; mit (Belehrten wie Humboldt, Historikern wie
Ranke, Malern wie Cornelius, Bildhauern wie Rauch. Er beschäftigte
sich mit architektonischen Entwürfen, studierte die antiken Formen in ihrer
Anwendung auf Kirchenbaukunst im byzantinischen Stil und versuchte Ef¬
fekte durch Kolonnaden und hallen zu erreichen. (Er entwarf ideale Land¬
schaften mit Reminiszenzen an die süditalienische Mittelmeerküste. (Er er-
örtertc Musik und Poesie. (Er förderte besonders alle Forschungen, welche
sich auf altdeutsche Zustände bezogen, auf alte Kunst, welche in den Dienst
der Religion getreten war usw., und dies Sichbeschäftigen mit der Vorzeit
bestärkte seinen Widerwillen gegen die Zeit, in der er lebte, und entwickelte
seine Neigung, das Rite wieder aufzurichten ober sich doch Reformen tn
modernem Geiste zu wibersetzen.
Diese Neigung würbe naturgemäß burch bes Fürsten Umgang mit
Geistlichen unb einem kleinen vertrauten Kreise romantisch gesinnter Aristo-
traten genährt. (Er war von seiner Kinbheit an religiös gewesen. (Er
hatte als Knabe im Kriege gegen Napoleon ben Glauben an bie Heilig¬
keit ber alten Staatsorbnung, an bas Königtum von Gottes Gnaben und
an Österreichs Mission als (Erbe des heiligen römischen Reiches eingesogen.