Full text: Lesebuch zur Geschichte des 19. Jahrhunderts

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schneidet es ab zum verkauf an den Friseur; patriotische Spekulation 
verfertigt daraus Hinge, wofür mehr als 100 Taler gelöst werden. Was 
das arme Volk aufbringen kann, wird eingesendet, mit der größten Gpfer- 
freudigkeit gerade von kleinen Leuten. 
Die Ausrüstung der freiwilligen Jäger allein, und was sonst für die 
Freischaren in den alten Provinzen gesammelt wurde, muß weit über eine 
Million gekostet haben. Und sie begreift nur einen kleinen Bruchteil der 
freiwilligen Gaben und Einsendungen, welche das Volk brachte. Und wie 
war das kleine Volk verarmt! 
Nahe aneinander lagen auf der Schmiedebrücke in Breslau die beiden 
Werbestellen für die freiwilligen Jäger und das Lützowsche Freikorps. Beide 
Truppen wurden ganz durch patriotische Gaben einzelner ausgerüstet. 
Zwischen den Lützowern und den Jägern war ein Wettstreit, ein freundlicher 
und mannhafter; aber auch hier brach wieder der Gegensatz in den Rich¬ 
tungen hervor: ob mehr deutsch, ob mehr preußisch, noch waren es nur 
verschiedene Brechungen desselben Lichtstrahls. Nicht gleich war das Schicksal 
der beiden Freiwilligenbureaus. Rus den 10 000 freiwilligen Jägern, 
welche den Regimentern zugeteilt wurden, ging die Kraft des preußischen 
Heeres hervor, sie haben dem preußischen Kriege von 1813 nicht nur die 
stürmische Tapferkeit, auch den Hdel und hohen Sinn gegeben, welcher in 
der Kriegsgeschichte etwas ganz Neues war. Die Freischar Lützows da¬ 
gegen erfuhr, daß rauhes Schicksal den Schöpfungen höchster Begeisterung 
gern feindlich gegenübertritt. Ihre Kriegstaten entsprachen nicht der 
hochgespannten Erwartung, womit man ihre Rüstung begleitete; sie hat 
später einen Teil ihrer tüchtigsten Kräfte an andere Heerkörper abgegeben. 
Aber unter ihren Offizieren war der Dichter, der vor anderen bestimmt 
war, kommenden Geschlechtern den hinreißenden Sauber jener Tage im 
Liebe zu überliefern, er selbst von vielen rührenden Jünglingsgestalten 
jenes Kampfes eine ber reinsten unb herzlichsten im Leben, Lieb und Tod: 
Theodor Körner. 
Ruch in der großen Stadt, wo der Freiwillige sich die Ausrüstung 
zu besorgen hatte, fand er nicht ein lärmendes Getöse aufgeregter Massen. 
Kurz und ernsthaft tat jeder feine Pflicht, ebenso er selbst. IDer kein 
Geld hatte, den unterhielt der fremde Kamerad, der zufällig mit ihm 
zusammentraf. Die einzige Sorge des Ankommenden war, feine Armatur 
zu finden, hatte er zwei Röcke, so ließ er, als Lützower, schnell den 
einen schwarz färben und zurichten, fein größter Kummer war, ob die 
Patronentasche auch zur Zeit fertig würde. Fehlte ihm alles und konnte 
ihm das Bureau nicht sogleich den Bedarf geben, fo wagte er nur selten 
ein Zeitungsinserat, in dem er bat. Sonst war ihm das Geld so wenig von 
Bedeutung wie feinen Kameraden. (Er behalf fich dürftig, was lag jetzt 
daran; für tönende Phrasen und patriotische Reden hatte er keine Seit 
und kein Ghr. IDer ja gespreizt einherging in kriegerischem putz, wurde 
verlacht, alles Renommieren und Säbelklirren war verächtlich. So war 
die Stimmung der Jugend. Es war eine tiefe Begeisterung, eine innige 
Hingabe ohne das Bedürfnis des lauten Ausdrucks.
	        
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