212 Häuslicher Kummer; Sophie Charlotte.
lassen, zu einer dritten Vermählung mit der Prinzessin Sophie Luise von
Mecklenburg-Schwerin zu schreiten; doch war diese Ehe für ihn keine Quelle
häuslichen Glücks. Die jnnge Königin, an ein einfaches, zwangloses Leben
gewöhnt, wollte sich mit dem peinlichen Ceremoniell des Berliner Hoslebens,
sowie mit ihrer ganzen Umgebung nicht befreunden, und ihre strenge Frömmig¬
keit fand sich im Widerspruch mit dem dortigen glänzenden Treiben. Als
eifrige Lutheranerin suchte sie überdies ihren Gemahl zur lutherischen Con-
fession zu bekehren, was viel Bitterkeit in der Familie erzeugte. Später ver¬
fiel die Königin ganz in fromme Schwärmerei und in einen krankhaft gereizten
Seelenzustand.
Die Sorgen des Königs wurden noch durch die Verheerungen der Pest
vermehrt, welche besonders im Jahre 1709 im Gefolge einer großen Mi߬
ernte aus Polen nach Ostpreußen herüber kam und so stark wüthete, daß die
Landesbehörden selbst von Königsberg nach Welau flüchteten. In wenigen
Monaten verlor Königsberg 7000 Einwohner an der Krankheit, in Preußen
überhaupt raffte dieselbe 250,000 Menschen dahin, d. h. ein Drittheil der da¬
maligen Bevölkerung.
Endlich hatte der König noch den Verlust seiner beiden ältesten Enkel zu
beklagen. Zu seinem großen Troste wurde jedoch dem Kronprinzen Friedrich
Wilhelm am 24. Januar 1712 wieder ein Sohn geboren, zu dessen Taufe
der König eine überaus glänzende Ceremonie anordnete: der Prinz hatte dabei
eine kleine Krone auf dem Haupte und ein Kleid von Silberstück mit Diaman¬
ten besetzt, an dessen Schleppe sechs Gräfinnen trugen. Es wurde ihm der
Name Friedrich gegeben, die Nachwelt hat ihn Friedrich den Großen
genannt.
Aber mit Friedrich I. ging es nun bald zur Neige; als er sein Ende
herannahen fühlte, bereitete er sich mit christlicher Fassung auf den Tod vor.
Er segnete seinen Sohn und seinen Enkel, dankte seinen Ministern für ihre
Treue, und starb in Gegenwart des Kronprinzen am 25. Februar 1713, in
einem Alter von 55 Jahren und nach einer 25jährigen Regierung.
29. Die Königin Sophie Charlotte*).
Friedrich's zweite Gemahlin, Sophie Charlotte, war am 20. October
1668 geboren, eine Tochter Ernst August's von Hannover und der hochgebil¬
deten klugen Prinzessin Sophie ans dem pfälzischen Hanse. Die trefflichen
Anlagen, mit welchen Sophie Charlotte begabt war, hatten frühzeitig durch
Belehrung und geistige Anregung eine vorzügliche Ausbildung erhalten. Sie
empfing guten Unterricht im Lateinischen, sprach bald französisch, italienisch und
englisch mit gleicher Leichtigkeit, wie ihre Muttersprache, die Erlernung und
Uebung der Musik wurde nicht verabsäumt, selbst für die ernsteren Wissen¬
schaften bezeigte sie schon als junges Mädchen großen Eifer. Die größte Be¬
deutung für ihre Bildung erhielt später der Einfluß des berühmten Gelehrten
und Weltmanns Äeibnitz. Durch mannichfache Reisen nach Italien, naH
•) Nach Varnhagen v. Ense: Sophie Charlotte, Königin von Preußen.