Full text: Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit bis zum Jahre 1648 (Teil 4)

§ 40. Materielles und geistiges Leben in Deutschland um 1500. 
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Die Handw erker waren seit dem IB. Jahrhundert an vielen 
Orten aus dem Rate (s. S. 83) verdrängt worden. Die Geschlechter 
hatten sich mehr und mehr abgeschlossen und waren zum Teil ent- 
artet. Im 14. Jahrhundert kam es daher infolge des gesteigerten 
Wohlstandes der Handwerker vielfach — am spätesten in den Hansa- 
städten —zu erbitterten Kampsen zwischen Geschlechtern und Kampfe 
Zünften, und diese erlangten nunmehr meist Anteil am Stadt- @ewJt"rn 
regiment. In manchen Städten behielten allerdings die Geschlechter und sanften 
die Leitung allein in Händen, z. B. in Nürnberg. Hier, wo die 
Berufsteilung am weitesten vorgeschritten war, taten sich Ende des ^ ^ 
15. Jahrhunderts zuerst die Gesellen zu Verbänden zusammen, weil 
ihnen von den Zunstvorstehern die Möglichkeit erschwert ward, Meister 
— also wirtschaftlich selbständig — zu werden. Es kam sogar zu Gewerbliche 
Arbeitseinstellungen; meistens erreichten die Gesellen Lohn- 2lr*eal*eet5 
erhöhnng und Milderung ihrer Abhängigkeit. 
Im allgemeinen entfaltete sich um 1500 das Leben der Bürger Bürgerliches 
in behaglichem Glänze. Auch auf Italiener und Franzofen allgemein 
machten die Rathäuf er und Dome sowie die Patrizierpaläste 
mit ihren Ecktürmchen, Erkern und Söllern einen gewaltigen Ein- 
drnck. Röhrenbrunnen wurden vielfach angelegt und Feuerlösch- 
ordnnngen erlassen. Die Städte nahmen sich auch zuerst des Schul- 
Wesens an; in ihnen besonders ward nach dem Versall des Rittertums 
das geistige Leben überhaupt gepflegt (f. unter 4); nicht minder 
ließen sie neben oder anstatt der Kirche sich die Fürforge für 
Arme und Kranke angelegen fein. Das bürgerliche Selbstgefühl 
ward durch alles dies mächtig erhöht und trat besonders bei festlichen 
Gelegenheiten, z. B. an Schützenfesten^), hervor. 
2. Die Ritter. Den feit den Kreuzzügeu beginnenden Verfall 
des Rittertums vermochten die verschiedenen Bünde (s. S. 94)Ritterbünde 
nicht aufzuhalten. Die Reichsritter erlangten die Reichsstand- @onbets 
fchaft nicht und behielten eine Sonderstellung ohne gesetzliche stellung der 
Grundlage. Der Grundbesitz war durch Teilungen oft übermäßig Reichsrmer 
zersplittert und wurde infolge der immer mehr um sich greifenden 
Geldwirtfchaft entwertet. Daher ward den Rittern die Erwerbung 
des Lebensunterhaltes oft sehr erschwert. Dazu kam, daß sie sich 
*) Daher stammt z. B. der Ausdruck „Zweck" (eigentlich der Nagel im Mittel- 
Punkt der Scheibe; vgl. Heftzwecke) im Sinne von „Absicht".
	        
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