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hatte der Jäger Mitleiden und sprach: „So lauf hin, du
armes Kind!“ „Die wilden Tiere werden dich bald gefressen
haben,“ dachte er, und doch war’s ihm, als wär5 ein Stein
von seinem Herzen gewälzt, weil er es nicht zu töten
brauchte. Und als gerade ein junger Frischling1) daher
gesprungen kam, stach er ihn ab, nahm Lunge und Leber
heraus und brachte sie als Wahrzeichen der Königin mit.
Der Koch mußte sie in Salz kochen, und das boshafte
Weib aß sie auf und meinte, sie hätte Sneewittchens
Lunge und Leber gegessen.
6. Nun war das arme Kind in dem großen Walde
mutterseligallein2), und ward ihm so angst, daß es alle
Blätter an den Bäumen ansah und nicht wußte, wie es
sich helfen sollte. Da fing es an zu laufen und lief über
die spitzen Steine und durch die Dornen, und die wilden
Tiere sprangen an ihm vorbei, aber sie thaten ihm nichts.
Es lief, so lange nur die Füße noch fort konnten, bis es
bald Abend werden wollte, da sah es ein kleines Häuschen
und ging hinein sich zu ruhen. In dem Häuschen war
alles klein, aber so zierlich und reinlich, daß es nicht zu
sagen ist. Da stand ein weiß gedecktes Tischlein mit
sieben kleinen Tellern, jedes Tellerlein mit seinem Löffelein,
ferner sieben Messerlein und Gäblein und sieben Becherlein.
An der Wand waren sieben Bettlein neben einander auf¬
gestellt und schneeweiße Laken darüber gedeckt. Snee¬
wittchen, weil es so hungrig und durstig war, aß von jedem
Tellerlein ein wenig Gemüs’ und Brot und trank aus jedem
Becherlein einen Tropfen Wein; denn es wollte nicht einem
allein alles wegnehmen. Hernach weil es so müde war,
legte es sich in ein Bettchen, aber keins paßte; das eine
war zu lang, das andere zu kurz, bis endlich das siebente
recht war, und darin blieb es liegen, befahl sich Gott und
schlief ein.
6. Als es ganz dunkel geworden war, kamen die
Herren von dem Häuslein; das waren die sieben Zwerge,
die in den Bergen nach Erz hackten und gruben. Sie
zündeten ihre sieben Lichtlein an, und wie es nun hell
im Häuslein ward, sahen sie, daß jemand darin gewesen
war; denn es stand nicht alles so in der Ordnung, wie
sie es verlassen hatten. Der erste sprach: „Wer hat
auf meinem Stühlchen gesessen?“ der zweite: „Wer
hat von meinem Teilerchen gegessen?“ der dritte:
1) Frischling, ein junges Wildschwein. — 2) Mutterselig¬
allein oder mutterseelenallein, von allen Menschen verlassen.
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