Full text: Neueste Geschichte von 1815 bis zur Gegenwart (Teil 3)

156 Die Revolution von 1848 und die darauf folgende Reaktion. 
6. Trotz der unverhohlenen Feindschaft Österreichs schien die weitere 
Entwicklung des preußischen Einigungsversuchs rasch und glücklich fortzu- 
schreiten. Die kleineren deutschen Staaten schlössen sich dem Dreikönigs- 
bündnis an, in Gotha traten die hervorragendsten Mitglieder der Erbkaiser- 
Partei des Frankfurter Parlaments zusammen und beschlossen, für die Annahme 
des von Preußen aufgestellten Verfassungsentwurfes zu wirken, und in Erfurt 
tagte bereits (unter dem Minister von Bodelschwingh) der Verwaltungsrat, um 
die Wahlen für den künftigen Reichstag vorzubereiten. 
e. Zwar versuchten Sachsen und Hannover jetzt, den Fortschritt des 
Einigungswerkes zu hemmen, indem sie bei der Beschlußfassung über die Ein- 
berusuug des Reichstages (Oktober 1849) erklärten, daß ohne die Beteiligung 
sämtlicher deutschen Staaten und ohne eine vorangehende Verständigung mit 
Österreich keine Abänderung der alten Bundesverfassung erfolgen dürfe, aber 
Preußen ließ sich zunächst weder durch den Protest der beiden Mittelstaaten 
noch durch deren Fernbleiben von den Sitzungen des Verwaltungsrates irre- 
machen. 
Im Januar 1850 fanden die Reichstagswahlen statt, und im März 
trat der Reichstag in Erfurt zusammen. Auf Betreiben der sogenannten 
Gothaer Partei einigten sich die Mitglieder des Erfurter Parlaments rasch 
auf die Annahme des Verfassungsentwurfs uud erklärten sich auch mit der 
von Friedrich Wilhelm IV. gewünschten konservativen Revision der Verfassung 
einverstanden; schon am 15. April 1850 kam die Verfassung des neuen Ein- 
heitsbundes, der als die „Union" bezeichnet wurde, zustande, und das Erfurter 
Parlament ging auseinander (29. April). 
4. Je mehr sich aber die von Preußen geleitete Einheitsbewegung 
ihrer Vollendung näherte, desto kräftiger äußerte sich die Gegenwirkung 
Österreichs. 
a. Noch vor der Eröffnung der Berliner Konferenzen hatte Friedrich 
Wilhem IV. seine Pläne dem Wiener Hofe mit dem Anerbieten eines für 
Österreich außerordentlich vorteilhaften weiteren Bundes zwischen dem geeinten 
Deutschland uud dem Kaiserstaate vorgelegt. Aber „die unwiderleglichsten 
Gründe der Nützlichkeit prallten in Wien an dem Gefühle ab, daß Österreichs 
Ehre ein solches Zurückweichen aus Deutschland nicht gestatte". Solange 
Schwarzenberg freilich der inneren Schwierigkeiten seines Landes noch nicht 
Herr war, mußte er sich in Deutschland auf einen bloßen Protest gegen 
das Vorgehen Preußens beschränken. 
b. Natürlich ließ Österreich nichts unversucht, um rasche Erfolge der 
preußischen Einigungspolitik zu verhindern. Die süddeutschen Staaten wurden 
vor allem durch die österreichischen Abmahnungen vor dem Anschluß an die 
preußische Union abgehalten. Bezeichnend für die Erbärmlichkeit der Mittel, 
mit denen Österreich dem verhaßten Nebenbuhler entgegenarbeitete, waren die 
Bemühungen des Reichsverwesers, das Vordringen der preußischen Truppen 
in den Kämpfen der badischen Revolution zu verzögern. 
c. Nach der Niederwerfung des ungarischen Aufstandes konnte sich 
Schwarzenberg den deutschen Dingen mit größerer Tatkraft zuwenden. 
a. Die Erfolge der preußischen Unionspolitik hatten in Wien eine 
steigende Erbitterung hervorgerufen. Im September 1849 hatte Preußen 
dem österreichischen Gegner abermals die Waffen zum Kampfe gegen seine 
Einigungspolitik gestärkt; indem es seine Zustimmung dazu gab, daß die
	        
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