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Damals fluchte sie dem Herrgott, weil er solch himmelschreienden Greuel
geschehen ließ, und sie gelobte, nicht mehr zum Nachtmahl zu gehen, solange
der Krieg währe. Jetzt lag sie krank zu Bett und wußte, daß sie sterben
müsse, und sehnte sich nach der heiligen Kost. Aber als der Pfarrer ihr
s zuredete, sie solle der Sehnsucht Genüge tun, denn ihr Gelübde sei gottlos
gewesen, da wandte sie sich zur Mauer und gab keine Antwort.
Heute nun warf sie sich unruhig auf ihrem Lager herum. Der
Husten quälte sie und noch etwas. „Mein Vater selig ist auf den Christ—
tag gestorben,“ sagte sie in der Frühe. Nach einer Weile stöhnte sie auf.
10 „Was ist Euch, Mutter?“ fragte der Sohn und eilte ans Bett. „Man
ist doch auch ein Christenmensch!“ flüsterte sie. „Morgen ist Nachtmahl
in der Gemeinde,“ fing der Sohn wieder an, ,wollt Ihr nicht auch,
Mutter?“ Da fragte sie mit hastiger Stimme: „Ist Fried' im Land?“
Der Nachtwächter schüttelte traurig den Kopf. „Wir erleben's nimmer,
1ß Mutter, Ihr nicht und ich nicht.“ Und er ging zur Türe hinaus. Da
trat ihr Enkelsohn an das Bett, ein baumlanger Kerl. Er hatte hinter
dem Ofen gesessen und an einem Span geschnitzt. „Ich will in die Stadt
gehen, Altmutter, und fragen, ob Krieg oder Fried' ist. Morgen früh
bin ich wieder da.“ „Ja, geh,“ flüsterte die Kranke in fliegender Hast.
20 „Geh, ehe dein Vater kommt, er leidet's sonst nicht „Wen soll ich
fragen, Altmutter?“ „Im Torturm wohnt der Weibel (Amtsdiener).
Seine Frau ist mein Patenkind. Die frag, die weiß es. Sie hat von
mir ein silbern Salzfaß zur Aussteuer. Das soll sie dir geben zum
Zeugnis der Wahrheit, wenn Fried' ist im Land. Geh, nimm deines
2s Vaters Spieß mit, der Wolf — Aber der Junge hörte nicht mehr.
Schon eilte er den Berg hinab der Waldschlucht zu.
Sechs Stunden war es bis zur Stadt. Der Weg dahin führte durch
einsame Heide und wilden Wald, vorbei an ausgebrannten Mühlen und
verlassenen Dörfern, dann stieg er hinunter ins breite, offene Tal an den
30 großen Strom, wo die Heerstraße lief und die Städte lagen. Durch
Wald und Heide trabte der Wolf, und durchs Tal zog Mordgesindel
jahraus, jahrein, solches mit der roten Feder und solches mit der Sturm—
haube, Schnapphähne und Soldaten.
Den Tag über lag die Alte still. Als der Sohn das Mittagsmahl
zs kochte — es war kein Frauensbild weiter im Haus — fragte er: „Wo
steckt denn der Büb?“ Aber er fragte mehr sich selbst als seine Mutter,
und diese schwieg. Der Abend dämmerte. Da schaute der Mann besorgt
nach in Stall und Scheune, blickte die Dorfstraße hinauf und kehrte stumm
in die Stube zurück. Er setzte sich auf die Ofenbank. Es ward finster.
10 Die Mutter stöhnte. „Wollt Ihr was?“ fragte der Sohn von der Bank
her. „Er wird in der Stadt sein,“ jammerte die Kranke. „Der Bub?“
rief entsezt der Mann. „Er will fragen, ob Fried' ist im Land.“
„Mutter,“ schrie der Sohn, „Euch rechn' ich's zu, wenn er mir verdirbt!“