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gleichen ward das St. Michaeliskloster abgebrochen und in die 
Stadt verlegt. 
5. Es that aber Herzog Magnus sehr toeh, daß das Schloß zu 
Luneburg ihm so listig eingenommen und zerstört war, und er sann 
fleißig darauf, wie er die Stadt wiederum ersteigen könnte. Das 
bedachten auch die Lüneburger und waren darum gar auf ihrer 
Hut. Tag und Nacht hielten sie die Thore verschlossen und späheten 
fleißig aus, ob sich nichts Verdächtiges zeigte. So verflossen neun 
Monate. 
Da begab es sich in der Nacht der heiligen Ursula oder der 
elftausend Jungfrauen (21. Oktober), daß die Bürgermeister und 
Hauptleute so sicher wurden, daß sie den Bürgern erlaubten, sich 
schlafen zu legen. 
Es waren aber 700 Mannen des Herzogs, Ritter und Knechte, 
einzeln und unvermerkt von Celle ausgezogen; die versammelten 
sich in dieser Nacht unter Anführung des 'Bannerherrn Hinrich von 
Homburg und des Ritters Sivert von Saldern vor der Stadt und 
stiegen unweit der Sülze mittels Leitern über die Mauern. 
Man erzählt, die Ritter hätten, ehe sie ausgezogen, den Polter¬ 
geist Hoideke von der Winzenburg gefragt, ob ihr Vorhaben gelingen 
werde; und er hätte geantwortet, sie sollten nur tapfer daran gehen, 
sie würden alle in die Stadt kommen; ob sie aber auch glücklich 
wieder heraus kämen, davon sagte er nichts. Und als die Ritter 
nun einstiegen, saß er auf der Mauer und zählte: „Een, twee, 
dree u. f. w.; und als der letzte hinüber war, lachte er laut auf 
und rief: „Nu fund fe alle rin!" 
Unamgehalten drangen die Feinde vor. Bald aber wurden 
vom Geraffel der Waffen die Bürger geweckt und eilten auf die 
Straße. Die Bürgermeister waren die ersten, die zur Wehr griffen, 
denn sie besorgten, man möchte einen Argwohn auf sie werfen, weil 
sie den Wächtern erlaubt hatten schlafen zu gehen. 
Da indessen die Zahl der bewaffneten Bürger zu gering, auch 
in ihren Haufen in der Hast keine Ordnung herzustellen war, so 
wurden sie leicht überwältigt und zurückgeschlagen. Da sielen unter 
andern edlen Männern der Stadt auch die Bürgermeister Heine 
Viskule und Hinrich van der Molen. 
6. Die Ritter waren bereits bis auf den Marktplatz vorgedrungen 
und wollten das Rathaus besetzen. Nun war ein Hauptmann in 
der Stadt, ein vernünftiger nnd geschwinder Mann, Ulrich von der 
Weißenburg genannt, der ging ihnen entgegen und sprach: „Liebe 
Herren, ich bitte, ihr wollet doch nicht unschuldig Blut vergießen. 
Ihr sehet, die Stadt steht in eurer Gewalt, darum schlaget Artikel 
zu einem Vertrage vor, so wollen wir uns euch ergeben." 
Auch ließ er den Weinkeller des Rates öffnen und den un¬ 
gebetenen Gästen einen guten Trunk zur Labe darbieten; da ließen 
sichs diese trefflich munden, daß sie aller Gefahr vergaßen. Also 
hielt er sie mit Klugheit auf, damit die Bürger Zeit haben möchten, 
sich zu rüsten und in Kampfordnung zu bringen.
	        
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