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Verdienste Luthers.
A. Reformator auf religiösem Gebiet.
1. Befreiung des Volkes aus den Fesseln der römischen Knechtschaft.
2. Befreiung des Geistes aus den Banden des unbedingten Glaubenszwanges.
(Wirkliche Glaubensfreiheit trat erst nach zwei Jahrhunderten ein)l).
3. Er schuf eine neue, zeitgemäßere Religion aus Grundlage der heiligen
Schrift.
4. Er bildete eine feste Centtalgewalt in der neuen Lehre.
ß. Bibelübersetzung (zusammen mit Gründung von Landschulen).
1. Dem deutschen Volke war die Möglichkeit gegeben, selbst die Grundlage
des Glaubens zu prüfen, selbst zu denken und die Geisteskraft zu entwickeln.
2. Bibel und Katechismus wurden Grundlagen des Schul-Unterrichtes.
3. Die Bibel wurde ein Hausbuch, ein nie versiegender Quell des Trostes,
den bisher nur der Geistliche spenden konnte.
4. Die Deutschen erhielten eine gemeinsame Sprache, und dadurch wurde
das Gefühl der Zusammengehörigkeit selbst in den Zeiten traurigster
Zerrissenheit des Vaterlandes wach erhalten.
C. Reformator des häuslichen und socialen Lebens:
1. Hausandacht, Kinderzucht, Sitte, Vergnügen und gesellige Freuden
(Musik) weihte er durch Lehre, Schrift und Beispiel.
2. Höher, edler, freier gestaltete er das Verhältnis zwischen Mann und Weib.
3. In den protestantischen Ländern wurde die kirchliche Einsegnung der
Mittelpunkt des Hochzeitsfestes").
4. Besser gestaltete sich das Leben an den protestantischen Fürstenhöfen.
D. Grundlage höherer Kulturentwicklung.
1. Er hat dem Geiste und dem Gewissen der Deutschen größeren Gehalt
gegeben.
2. Auf der Grundlage seiner Religion erwuchs in der Folgezeit die Volks-
freiheit. (Vorläufig bedurfte das Volk noch der Bevormundung).
3. Um ihn blühte neues Leben: Große Leistungen in Wissenschaft und
Kunst, besonders im Kunsthandwerk, behaglicher Genuß, feinere Bildung,
höherer Wohlstand.
4. Ohne den durch die Reformation gepflanzten idealen Geist hätte sich das
Volk nie wieder aus seinem Verfall erhoben (30 jähriger Krieg, Napo-
leonische Kriege).
Das Heil der Deutschen kam vom protestantischen Norden.
1) Schon Luther geriet in den Widerspruch, daß er freies Forschen in der Bibel
gestattete, aber Festhalten an seiner Ansicht forderte. Seine Epigonen waren ebenso
intolerant wie die Papisten. Daraus entsprang viel Unheil. S. §• 19 p. 72.
2) G. Freytag III. p. 208 und 209.