Object: [Teil 5 = [Kl. 5], [Schülerband]] (Teil 5 = [Kl. 5], [Schülerband])

Sirfan über ihren Häuptern schwirrt! Mit verzweifelnder Hast drängen 
sie hinweg von dem Opfer, bäumen sich, schlagen, um Raum zu gewinnen. 
Wiehern und Angstgeschrei erfüllt ohrzerreißend die Luft, bis der zu¬ 
sammengeballte Knäuel sich gelöst hat, und nunmehr die Pferde nach 
allen Richtungen der Windrose auseinander stieben. Allein die Rufe 
der Leithengste locken die Gescheuchten bald wieder in die eifersüchtig 
gehüteten Trupps zusammen, und nicht lange, so ist die Gefahr ver¬ 
gessen, während sie in der Gestalt der gutberittenen Hirten schon wieder 
ganz nahe ist. Es gibt kein aufregenderes Schauspiel als solches 
Pferdejagen. 
Aber dabei muß man auch die Tataren sehen. Die verschiedenen 
Völkerschaften der russischen Steppen, Kosaken, Baschkiren, Tschuwaschen, 
Mordwinen und Zigeuner sind samt und sonders vortreffliche Reiter 
und von frühester Jugend an auf dem Pfexde, so daß sie vollständig 
mit ihm zusammenwachsen. Allen voran ist der Tatar als verwegenster 
Reiter, kühner Rossebändiger und gewiegter Pferdekenner; mit dem 
Arkan in der Hand zeigt er sich durchaus nur von der vorteilhaften 
Seite. Das auserkorene Tier, meistens ein dreijähriges Fohlen, das 
noch niemals des Menschen Hand und Gewalt erprobt hat, macht er¬ 
schreckt verzweiflungsvolle Anstrengungen, um der Schlinge zu entgehen, 
aber dadurch zieht sich diese nur immer enger zusammen und schnürt 
ihm dermaßen den Hals zu, daß es röchelnd hinstürzt. Wie eine Katze 
arbeitet sich nun der vom eigenen Pferde gesprungene Tatar, Hand 
um Hand vorgreifend an dem Arkan hin, bis zu dem zappelnden, 
bewußtlosen Wildling; in einem Augenblick ist dem Tier ein Zaum 
über den Kopf gestreift, ein Gebiß in das Maul geschoben; dann 
wird die furchtbare Schlinge gelöst. Allmählich kommt das Fohlen 
wieder zu sich. Wie in stillem Staunen liegt es einen Augenblick da; 
auf einmal kommt ihm das Bewußtsein seiner Lage: wie der Blitz 
springt es auf die Beine — aber umsonst, eben so rasch sitzt schon der 
Bändiger auf seinem Rücken. Mag dann das entsetzte Roß versuchen, 
was es will, es gelingt ihm nicht mehr, seine alte Unabhängigkeit 
zurückzuerobern. Freilich schießt es kreischend, schlagend, schüttelnd, um 
sich beißend, in tollen Sätzen hinaus in die Steppe, aber in wenig 
Stunden kommt es zurück, gebändigt und gelehrig; es ist der Zivilisation 
gewonnen und läßt sich den Sattel auflegen. 
Reben den Tabunen der Steppenpferde zeigen sich die Rinderherden, 
die in großen Trupps von mehreren hundert Stück da und dort weiden. 
Es sind prächtige Tiere, von der im ganzen Südosten Europas ver¬ 
breiteten sogenannten Podolischen Rasse, von weißgrauer Farbe und 
mit großen, einwärts gekrümmten Hörnern. Das stete freie Leben in 
der Steppe hat ihnen den dummstieren Ausdruck genommen, der sie 
dort kennzeichnet, wo sie nur im Stalle gehalten werden. Mit klugen 
Porger-Lemp, Lesebuch. Y. 9
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.