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tenbfte Regierungstat war aber die Verfassungsänderung, wodurch
er den Plebejern ein größeres Maß von Rechten verleihen wollte. Der
volksfreundliche Servius fand zuletzt durch seinen von des Königs eigener
Tochter aufgereizten Schwiegersohn einen schrecklichen Tod. 7) Tar-
quinius Slcherbus (534—510) herrschte im Innern, gestützt auf eine
Leibwache und Geheimpolizei, tyrannisch, nach außen kraftvoll und glück-
lich. Den Plebejern wurden die neuen Rechte genommen und sie mit
harten Frondiensten beim Bau des Tempels des kapitolinischen Jupiter
und beim Ausbau der Kloaken gedrückt. Auch um den Senat kümmerte
er sich nicht. Dagegen wurde der latinische Bund zur Anerkennung
seiner Hoheit gebracht und ein glücklicher Krieg gegen die Volsker ge-
führt, widerstrebende Städte wie Gabii durch List oder Gewalt unter-
worfeit. Die Schandtat, die sein jüngster Sohn Sextus gegen die tugend-
hafte Lucretia wagte, bewirkte, daß auf Betreiben des Lucius Junius
Brutus der König entfetzt und mit seiner Familie verbannt wurde. 510.
4. (Geschichtlicher Kern. Wieviel von all dem geschichtlich ist, kann
nicht ausgemacht werden. Über die ^Entstehung der Stadt Rom kann
nur so viel gesagt werden, daß sie in unbekannter Zeit (auch das Jahr
753 stand den Römern nicht fest) aus den am linken Ufer des Tibers ge-
legenen Hügeln Palatinus, Kapitolinus und Quirinalis, und zwar zuerst
auf dem Palatinus von Latinern gegründet wurde. Die Lage aus dem
Palatinus, geschützt durch den Tiber und vorgelagerte Sümpfe, 6 Stunden
von der Mündung, bot Sicherung vor Seeräubern, wie vor den Etruskern
und Sabinern. Die Bevölkerung lebte von Ackerbau und Viehzucht.
Der Handel spielte zunächst keine Rolle. — Auch was von den einzelnen
Königen erzählt wird, hat keinen geschichtlichen Wert. Die Stadt wurde
in der Königszeit nach und nach vergrößert. Mit Latinern und Sabinern
mag glücklich gekämpft worden fein. Besonders in der Sage von den
drei etruskischen Königen, die zuletzt regierten, steckt ein geschichtlicher
Kern. Vieles spricht dafür, daß nicht sowohl ausgewanderte Etrusker
in Rom die Königswürde erlangten, sondern die Etrusker Rom ein-
nahmen und eins ihrer Geschlechter auf den Thron fetzten. Die Zeit der
drei etruskischen Könige war demnach wohl die Zeit einer etruskischen
Fremdherrschaft, bis so lange währte, daß die etruskische Kultur (nament-
lich die Baukunst, auch Schrift- und Münzsystem) sich in Rom tief ein¬
bürgerte. Trotz der Konzessionen, durch die ein etruskischer König die
Unterworfenen zu versöhnen suchte und die als die servianische Ber-
fassung im Gedächtnis der Nachwelt fortlebten, wurden schließlich die
Fremdherrn gestürzt. Die spätere Zeit stellte das als die Vertreibung
der Könige dar. Gegen das Ende der Königszeit wurde Rom auch Haupt
des Latinerbundes.
5. Älteste Ztaatseinrichtnngen. a. Das römische Volk zerfiel in
drei Stämme (Tribns), diese in K n ri e n (Pflegen), die Kurien in
Geschlechter (gens), diese wieder in Familien. Das Geschlecht um-
faßte alle demselben Stammvater Entsprossenen, so daß alle zu einem
Geschlecht Gehörigen denselben Geschlechtsnamen neben den verschiedenen
Familiennamen führten. Die Römer tragen daher drei Namen: 1) den
Vornamen, 2) den Namen des Geschlechts, 3) den der Familie, z. B. Gajus
Julius Cäsar, Lucius Ämilius Paullus usw. An der Spitze der Familie
stand der Hausvater mit unumschränkter Gewalt über Weib und Kind,