Erste Periode.
Griechenland vor den Perserkriegen.
I. Urzeit.
1. Pelasger und Hellenen. Über die Anfänge der griechischen
Geschichte sehlt uns alle Kunde. Denkmäler mit Inschriften, die
die Geschichte wie in Ägypten und im Euphratland weit hinauf
erhellen würden, gibt es nicht. Die Kunst des Schreibens ist spät
nach Griechenland gekommen. Die alten Sagen geben wenig Aus-
beute, und die spät schreibenden Geschichtschreiber mußten sich in
Ermanglung wirklicher Quellen mit Vermutungen begnügen. Als
älteste Bevölkerung bezeichnet der Geschichtschreiber Herodot (um
450 v. Chr.) die Pelasger, die nach ihm eine barbarische Sprache
redeten und zu denen nach seiner Ansicht auch die Athener, also
die Jonier, gehörten. Später erscheinen die Hellenen, zu denen
nach Herodot die Dorier gehörten und die sich zum Teil mit den
Pelasgern verschmolzen. Die Athener mußten nach Herodot ihre
Sprache „umlernen".
Dieser Ansicht Herodots hat man sich in alter und neuer Zeit viel-
fach angeschlossen und in den Pelasgern die Urbevölkerung Griechen-
lands gesehen, nur daß die einen sie für nichtgriechisch (Semiten oder
Verwandte der Albanesen), die andern sie für die Griechen selbst auf
früherer Stufe oder für ältere Zweige desselben Stammes hielten. Aber
die Grundlage dieser Ansicht, daß die Pelasger in Griechenland verbreitet
gewesen seien, ist nicht begründet: sie waren nach Homer nur ein kleiner
Stamm in Thessalien. — Mehr Beachtung verdient, daß nach den alten
Schriftstellern in Griechenland und auf den Inseln vor den Griechen
eine ältere Bevölkerung mit verschiedenen Namen, wie Karer, Leleger, sich
vorfand. Man wird annehmen dürfen, daß sie mit der Kleinasiens stamm-
verwandt war. Dann sind wohl die Griechen aus der ursprünglichen
Heimat der Jndogermanen (S 16) von Norden her eingerückt, wahr-
scheinlich gedrängt von andern nachrückenden indogermanischen Stämmen,
den Thrakern und den Jllyriern. Eine erste Welle dieser griechischen
Bevölkerung bilden die'Stämme, von denen das Epos erzählt: sie heißen
bei Homer Achäer; eine zweite die Dorier, deren Wanderung das erste
Ereignis der griechischen Geschichte ist. Die erste griechische Einwanderung
liegt vor aller Geschichte: die nicht später eingewanderten Stämme, wie
die Athener und Arkader haben sich für ursprüngliche Bewohner des
Heimatbodens gehalten (für „Autochthonen"). Die Einwanderung wird
also vielleicht um 2000 v. Chr. erfolgt fein. Über die ältesten Spuren
der Vergangenheit s. unten S. 29. Erst um 600 findet sich der Gesamt¬
name der Hellenen. Der Name Griechen ist dem Volk wohl zuerst
vou den Römern gegeben worden, ohne Zweifel nach einem im Westen
wohnenden Stamm der Graer, der ihnen zuerst bekannt geworden war.