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Als der Kaiser unter völliger Mißachtung des bisherigen Rechts einen
Erzbischos in Mailand einsetzte, drohte ein Bruch mit dem überaus
geduldigen Papst. Joseph überlegte auch den Gedanken, die Kirche
seines Reiches gänzlich vom Papst zu trennen, stand aber doch davon
ab. 3) Selbst in die inneren Angelegenheiten der Kirche griff er
ein, errichtete an der Stelle der bischöflichen Priesterseminare staatlich
geleitete Generalseminare zur Ausbildung von Geistlichen, erließ eine
Gottesdienstordnung, verbot Heiligenbilder, Reliquienausstellungen,
Ablässe, beschränkte die Prozessionen, ordnete den Gebrauch der
Landessprache im Gottesdienst an. 4) Die Akatholiken (Evangelische
und Griechen) bekamen durch das Toleranzpatent vom 20. Oktober
1781 Toleranz d. h. das Recht, ihre Religion frei zu bekennen,
überall, wo sich hundert Familien zusammenfanden, Kultusgemeinden
zu bilden, Rathäuser und Schulen zu errichten. Nur sollten die
Kirchen keine Türme, Glocken und auffallenden Eingänge von den
Hauptgassen aus haben. Die Anhänger aller Konfessionen erhielten
die gleichen staatsbürgerlichen Rechte.
c. Reformen im Staat. Auf dem Gebiet des Staates suchte
er 1) die ständischen Sonderrechte der einzelnen Kronländer zu
beseitigen und einen straff zentralisierten, gleichartig verwalteten
Einheitsstaat mit gemeinsamer deutscher Amtssprache (auch für
Ungarn-Kroatien!), ein erbliches Kaisertum Österreich zu begründen.
Den Landständen wurden ihre Rechte, besonders das der Steuer-
bewilligung und landtägiger Beratungen genommen. Joseph beseitigte
2) die Vorrechte des Adels, den er der gleichen Steuerpflicht und dem
allgemeinen Recht unterwarf. Er verfügte 3), nachdem schon Maria
Theresia die gedrückte Lage der Bauern, die wiederholt zu Aufständen
führte, verbessert hatte, 1781 die Aufhebung der Leibeigenfchaft.
Die Bauern erhielten das Recht der Freizügigkeit und der Freiheit
vom Hosdienst, der freien Heirat und freien Berufswahl, das Recht
echtes Eigentum zu erwerben, dagegen hatte der bisherige Leibeigene
die „Robot" d. h. die Fronden und Abgaben nach dem Robotpatente
an den Grundherren weiter zu leisten. 4) Auf die Hebung der Land-
Wirtschaft war Joseph, der im Grund und Boden die einzige Quelle
alles Volkswohlstandes sah, eifrig, aber mit nicht großem Erfolg
bedacht. Wenig erfolgreich arbeitete er an der Förderung der ^n-
dustrie, die durch hohe Schutzzölle gehoben werden sollte. 5) Die Ehe
wurde als bürgerliches Rechtsgeschäft behandelt. Josephs Strafgesetz-
buch verzichtete aus die geschärfte Todesstrafe, ja abgesehen vom Fall
des Aufruhrs auf die Todesstrafe und ersetzte sie durch andere schwere
Strafen (Brandmarkung, lebenslängliches Anschließen an die Kette
im Gefängnis u. a.). 6) Für die Volksschule geschah viel, für die
höheren Schulen nicht sehr viel. Der Nützlichkeitsstandpunkt der
Aufklärung ließ keinen Sinn für die Pflege der Wissenschaft als solcher
aufkommen. (Der Nützlichkeitsstandpunkt des Kaisers ließ ihn sogar,