der Revolution. Nur ein Drittel des etwa 70 000 Glieder zählenden
Klerus leistete den Eid, das an der Kirche hängende Volk hielt sich
nur an die „unbeeidigten" Priester (pretres insermentes) und ver¬
schmähte die beeidigten (assermentes). So ging ein tiefer Riß durch
das Volk. Später wurden die „unbeeidigten Priester" Gegenstand
schwerster Verfolgung, die Hunderten den Tod brachte, Tausende in
die Verbannung trieb. — Daß endlich der Adel mit allen seinen
Vorrechten abgeschafft und die allgemeine Anrede „Bürger" ein-
geführt wurde, war die natürliche Vollendung eines Systems, das
die Ideen Roufseaus in die Wirklichkeit einführen sollte.
c. Mirabeau und der König. 1) Die Übersiedlung
nach Paris. Widerstrebend ließ sich der König von der Bewegung
fortreißen. Verhängnisvoll war namentlich, daß er im Oktober 1789
zur Übersiedlung nach Paris genötigt wurde. Die National-
Versammlung folgte nach Paris nach.
Ein wüster Zug von Weibern und Pikenmännern wälzte sich am
5. Oktober 1789 von Paris nach Versailles, wo der König und die National-
Versammlung waren, angeblich um Brot von dem König zu fordern. La-
fayette mit der Nationalgarde zog hinter ihnen drein, verhinderte aber
nicht, daß gegen Morgen in das Schloß eingedrungen wurde; eine Anzahl
Leibwächter wurde niedergemacht, das Leben der Königin schwer be-
droht. Der König willigte nun ein, nach Paris überzusiedeln. In einem
greulichen Zug wurde am Nachmittag des 6. Oktober die königliche Familie
nach Paris geführt. Dem Wagen voran trugen die Mörder auf hohen
Stangen die Köpfe der treuen gemordeten Leibwächter; die Kannibalen
wollten unterwegs einen Perückenmacher nötigen, die Köpfe zu frisieren.
Betrunkene Weiber umtanzten den Wagen und sangen Lieder mit dem
Schlüsse: „Wir werden jetzt Brot im Uberflusse haben, denn wir bringen
den Bäcker (ix h. den König!), die Bäckerin und den kleinen Bäckerjungen"
(le boulanger, la boulangere et le petit mitron). Fortan war der König
ein Gefangener in den Tuilerien. — Ob der Herzog von Orleans, wie viel-
fach geglaubt wurde, seine Hand in diesen Unruhen hatte, in der Absicht,
selbst auf den Thron zu gelangen, ist nie erwiesen worden. Zweifellos
aber hat Lafayette in seinem Streben nach der Volksgunst nicht seine
Schuldigkeit getan. Die Mordtaten waren sicher nicht nach seinem Sinn;
aber eine Lektion für den Hof und seine Übersiedlung nach Paris mochten
dem kurzsichtigen Mann ganz erwünscht scheinen. Mirabeau erkannte die
ganze Gefahr dieser Übersiedlung: Frankreich und der König, äußerte er,
seien verloren, wenn er nicht wieder von Paris wegkomme.
2) Anarchie. Die Klubs. Mirabeau. Im ganzen Land
war die Regierung wehrlos, und die ausgeregte Menge beging
unbestraft zahllose Gewalttaten. Eine wirkliche Macht hatte außer
bei Nationalversammlung nur die Pariser Stadtgemeinde mit
Bailly als Maire, Lafayette als Kommandanten der Nationalgarde.
Daneben bekamen die freien Vereinigungen oder Klubs, voran der
Jakobinerklub, der seinen Namen von dem Kloster und der Kirche
' der Jakobiner (= Dominikaner) hatte und das ganze Reich mit einem