Die griechischen Inseln. §. 38.
101
welchem sie durch vulkanische oder neptunische Kräfte abgerissen
worden sind. Die meisten sind Gebirgsinseln und zwar, wie die
Richtung ihrer Gebirge zeigt, Fortsetzungen der Gebirge des Fest¬
landes, zum Theil von beträchtlicher Höhe, durch Reichthum an
Naturprodukten und an Hafenbildung hervorragend.
I) Im ionischen Meere: 1) die grosse Küsteninsel Kerkyra oder
Corcyra1), mit der Hauptstadt Kerkyra, einer Colonie von Korinth,
welche bald der Knotenpunkt aller Seefahrten im ionischen Meere wurde,
da auch die Fahrten der Griechen nach Sicilien die Westküste Griechen¬
lands entlang bis nach Corcyra gingen. 2) Leucadia, benannt von
ihren weissen Marmorfelsen, war früher eine Halbinsel, welche Homer,
noch z»r Epeiros rechnet; die Korinthier durchstachen den Isthmus, um
ihren Schiffen die Fahrt in den ambracischen Busen zu erleichtern, und
machten so Leucadia zu einer Insel, doch wurde sie später durch Ver¬
sandung des Canals wieder Halbinsel, bis in neuerer Zeit die Engländer
den Canal herstellten. Hauptstadt: Leucas (Homer nennt Nerikos als.
alte Hauptstadt). 3) Die cephallenischen Inseln oder die Inseln,
welche zum Reiche des Odysseus gehörten, liegen vor dem Ausgange
des korinthischen Busens: a) Ithaca besteht aus zwei grossen, rauhen
Gebirgsmassen, welche durch einen schmalen Isthmus verbunden (und
durch den Hafen Rheithron getrennt) sind; auf diesem lag die Stadt
Ithaca mit einer Akropolis, der Residenz des Odysseus, b) Cephal-
lenia, die grösste der westgriechischen Inse u, bei Homer Samos oder
Same mit der Stadt Same, c) Zakynthus mit der einzigen Stadt
Zakynthus.
II) Im aegaeischen Meere.
a) Im westlichen Theile:
aa) im saronischen Busen: 1) Die kleine Insel Aegina war über
ein Jahrhundert lang die erste Seemacht im aegaeischen Meere, welche
nicht nur den Verkehr zwischen dem nordöstlichen Griechenland und
dem Peloponnes vermittelte, sondern auch einen grossartigen Ein- und
Ausfuhrhandel nach den ferneren Küsten des Westens und Ostens be¬
trieb. Von ihrer frühzeitigen, selbständigen Kunstübung zeugen noch
heute die aeginetischen Giebelgruppen in der Glyptothek zu München.
2) Salamis (oder Salamin), an der Bucht von Eleusis, zwischen Megara
und Athen, daher ein Gegenstand des Streites zwischen beiden, vgl.
§. 45, Schlacht 480.
bb) im euboeischen Meere: Euboea, nächst Creta die grösste
der griechischen Inseln, ist benannt von dem trefflichen Weidelande am
Abhange der hohen Gebirge, deren nördlichster Punkt das Vorgebirge
Artemisium bildet. Chalcis (d. i. Erzstadt), durch eine Brücke über
!) Die Identität Kerkyra’s mit dem homerischen Scheria bestreitet Welcker,
kl. Schriften I., S. 1 ff., vgl. Bursian a. a. 0. II., S. 358 f.