Full text: Das Alterthum (Bd. 1)

64 Theben. §. 24. 
höchsten, 2—3 Wochen dauernden Wasserstande das ganze Thal bis 
an die einschliessenden Bergketten, und lässt einen fruchtbaren Nieder¬ 
schlag von Schlamm zurück. So ändert sich dreimal im Jahre die 
Physiognomie des merkwürdigen Landes: im Frühjahre ist es eine dürre, 
heisse Wii^te mit klaffendem Boden; im Sommer gleicht es fast einem 
See, aus welchem die Stjjdte und Dörfer wie Inseln in einem Archipel 
hervorragen, und in welchem die Communication von Ort zu Ort auf 
schmalen Dämmen oder vermittelst Barken geschieht; im Spätherbste 
verwandeln sich die reich getränkten Fluren bald in üppige Getreide¬ 
felder. Zur gehörigen Vertheilung dieser Wassermasse, nament¬ 
lich in entferntere Theile des Thaies (wovon bei dem Mangel an Regen 
die Fruchtbarkeit ganz abhängig ist) wurden schon im hohen Alterthum 
künstliche Seen, wie der (später durch Ablagerung des Ndschlammes 
wieder angefüllte) Moeris an der Westseite, gegraben und mit Schleusen 
und Schöpfmaschinen versehene Can äle angelegt. Durch solche weise 
Vertheilung der flüssigen durch die feste Form hat das alle Cullurvolk 
der Aegyplier das sandige Thal aus einer Wüstenei in die erste Korn¬ 
kammer der Erde und in die reichste Culturlandschaft umgewandelt. 
Aegypten. 
Man unterschied im Alterthum Ober-, Mittel- und Unter¬ 
ägypten. Schon in Nubien, noch mehr aber in Oberägypten, 
hat sich eine fast ununterbrochene Reihe von Denkmälern der 
altägyptischen Baukunst erhalten, die eben sowohl durch ihre 
Menge und Grossartigkeit, als durch ihre Ausschmückung mit 
Bildwerken und bedeutungsvollen Hieroglyphen, sowie durch ihr 
drei- bis viertausendjähriges Alter den ersten Rang unter allen 
bekannten Bauwerken der Erde einnehmen. Von der unschein¬ 
baren Nilinsel Philae (an der Grenze Nubiens, Syene gegenüber), 
welche auf kleinem Raume die am besten erhaltene Ruinengruppe 
Aegyptens einschliesst, abwärts folgen zahlreiche Tempelgruppen 
bis zu der alten Königsstadt Theben (ixaro^tvXcu bei Homer, 
wegen der zahlreichen hohen Thorgebäude oder Pylone?), deren 
Ueberbleibsel noch heute das ganze (hier 2 M. breite) Thal aus¬ 
füllen und deren Todtenstadt mit ihren Grüften sich tief in die 
westliche Gebirgskette erstreckt'). 
Auf der Ostseite des Flusses sind die ältesten Bauwerke Thebens. 
Bei dem heutigen Dorfe Karnak findet sich auf einer künstlichen, 
gegen die Ueberschwemmungen gesicherten Terrasse das Nationalheilig— 
thum in der Glanzperiode Aegyptens, der Tempel des Ammon, welcher 
') S. Pütz, histor.-geogr. Schulatlas, III. Füatt, den mitllern Carton links.
	        
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