Full text: Vollständiges Lehr- und Lesebuch für die oberen Klassen katholischer Volksschulen

112 
oder zu starkes Beschneiden herbeigeführt. Man schneidet auch hier 
den Schaden aus und belegt die Wunde mit Baumwachs; indeß 
kann ein davon ergriffener Baum nur selten gerettet werden. — 
Mancher Obstbaum ist zu vollsaftig und unvermögend, Blüthen und 
Früchte zu tragen ; er setzt eine dicke Rinde und eine Menge Zweige 
an. Oft rührt aber auch die Unfruchtbarkeit vom Mangel an Nah¬ 
rung her; der Baum zeigt schwache Triebe und matte Blätter. Im 
ersten Falle kann das sogenannte Aderlässen im Frühfahr helfen, 
wobei der Stamm und die Hauptäste an der Oberhaut mit einem sehr 
scharfen Messer von oben nach unten aufgeritzt werden. Dadurch 
können sich die Gefäße erweitern, der Saft drängt weniger nach den 
obern Theilen und es erfolgt die Blüthe. Ist hingegen die Un¬ 
fruchtbarkeit eine Folge des schlechten Bodens, so muß man diesen 
zu verbessern trachten, die Wurzeln aufgraben, fette Erde auf die¬ 
selben bringen und nachher oben Dünger legen, der fedoch die Wur¬ 
zeln nicht berühren darf. 
11. Kleine und große Geschöpfe. 
In Asien, in dem Gebirge Taurus und an anderen Orten, lebt 
eine Art wilder Schafe, Argali genannt; die sind sehr groß, stark 
und scheu, und haben sehr große Hörner. Wenn ein solches Thier 
im Kampf oder durch ein anderes Unglück ein Horn verliert, was 
zuweilen geschieht, so kommt es den dortigen Füch ölein zu gute. 
Diese haben alsdann nicht nöthig, einen Bau in die Erde zu graben, 
meinen, das Horn sei ihretwegen da, schlüpfen hinein und wohnen 
darin. — Worüber muß man sich mehr verwundern: über die großen 
Hörner oder über die kleinen Füchse? 
Die kleinsten Vögel, die man kennt, heißen Kolibri. Sie 
sind in Südamerika daheim, haben wunderschöne Farben von Gold- 
und Silberglanz, legen Eierlein, die nicht größer sind, als eine 
Erbse, und werden nicht mit Schrot geschossen, sondern mit kleinen 
Sandkörnlein, weil sonst nichts Ganzes an ihnen bliebe. Neben ihnen 
wohnt eine Spinne, die so groß ist, baß sie diese armen Thierlein 
wie Mücken fängt und aussaugt. Andern Respekt flößt der Herr 
Lämmergeier seiner Nachbarschaft ein, der in den Tyroler- und 
Schweizergebirgen daheim ist. Denn mit seinen ausgespannten Flü¬ 
geln bedeckt er eine Länge von 8 bis 9 Fuß, und er ist stark genug, 
Gemsen, Ziegen und Kinder anzupacken, zu überwältigen und davon 
zu tragen. Der größte unter allen Vögeln, die fliegen können, 
ist der Kondor, ein Landsmann deö Kolibri. Dieser mißt mit 
ausgespannten Flügeln 16 Fuß; seine Flügelfedern sind vorn einen 
Finger dick, allo daß man schöne Fraktur damit schreiben könnte, 
und das Rauschen seiner Flügel gleicht einem fernen Donner. Aber 
der allergrößte Vogel ist der Strauß in den Wüsteneien von 
Asien und Afrika, der aber wegen seiner Schwere und wegen der 
Kürze seiner Fittige gar nicht fliegen kann, sondern immer auf der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.