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oder zu starkes Beschneiden herbeigeführt. Man schneidet auch hier
den Schaden aus und belegt die Wunde mit Baumwachs; indeß
kann ein davon ergriffener Baum nur selten gerettet werden. —
Mancher Obstbaum ist zu vollsaftig und unvermögend, Blüthen und
Früchte zu tragen ; er setzt eine dicke Rinde und eine Menge Zweige
an. Oft rührt aber auch die Unfruchtbarkeit vom Mangel an Nah¬
rung her; der Baum zeigt schwache Triebe und matte Blätter. Im
ersten Falle kann das sogenannte Aderlässen im Frühfahr helfen,
wobei der Stamm und die Hauptäste an der Oberhaut mit einem sehr
scharfen Messer von oben nach unten aufgeritzt werden. Dadurch
können sich die Gefäße erweitern, der Saft drängt weniger nach den
obern Theilen und es erfolgt die Blüthe. Ist hingegen die Un¬
fruchtbarkeit eine Folge des schlechten Bodens, so muß man diesen
zu verbessern trachten, die Wurzeln aufgraben, fette Erde auf die¬
selben bringen und nachher oben Dünger legen, der fedoch die Wur¬
zeln nicht berühren darf.
11. Kleine und große Geschöpfe.
In Asien, in dem Gebirge Taurus und an anderen Orten, lebt
eine Art wilder Schafe, Argali genannt; die sind sehr groß, stark
und scheu, und haben sehr große Hörner. Wenn ein solches Thier
im Kampf oder durch ein anderes Unglück ein Horn verliert, was
zuweilen geschieht, so kommt es den dortigen Füch ölein zu gute.
Diese haben alsdann nicht nöthig, einen Bau in die Erde zu graben,
meinen, das Horn sei ihretwegen da, schlüpfen hinein und wohnen
darin. — Worüber muß man sich mehr verwundern: über die großen
Hörner oder über die kleinen Füchse?
Die kleinsten Vögel, die man kennt, heißen Kolibri. Sie
sind in Südamerika daheim, haben wunderschöne Farben von Gold-
und Silberglanz, legen Eierlein, die nicht größer sind, als eine
Erbse, und werden nicht mit Schrot geschossen, sondern mit kleinen
Sandkörnlein, weil sonst nichts Ganzes an ihnen bliebe. Neben ihnen
wohnt eine Spinne, die so groß ist, baß sie diese armen Thierlein
wie Mücken fängt und aussaugt. Andern Respekt flößt der Herr
Lämmergeier seiner Nachbarschaft ein, der in den Tyroler- und
Schweizergebirgen daheim ist. Denn mit seinen ausgespannten Flü¬
geln bedeckt er eine Länge von 8 bis 9 Fuß, und er ist stark genug,
Gemsen, Ziegen und Kinder anzupacken, zu überwältigen und davon
zu tragen. Der größte unter allen Vögeln, die fliegen können,
ist der Kondor, ein Landsmann deö Kolibri. Dieser mißt mit
ausgespannten Flügeln 16 Fuß; seine Flügelfedern sind vorn einen
Finger dick, allo daß man schöne Fraktur damit schreiben könnte,
und das Rauschen seiner Flügel gleicht einem fernen Donner. Aber
der allergrößte Vogel ist der Strauß in den Wüsteneien von
Asien und Afrika, der aber wegen seiner Schwere und wegen der
Kürze seiner Fittige gar nicht fliegen kann, sondern immer auf der