Full text: Das Mittelalter (Teil 2)

— 193 - 
summen. „Mit der Krone, die er ohne Schwertstreich erlangt, mit gefülltem Beutel, 
den er leer nach Italien gebracht, mit der Schande, die kaiserliche Majestät erniedrigt 
zu haben, ist Karl nach Deutschland zurückgekehrt," sagt der zeitgenössische, florentinische 
Geschichtschreiber Ma tteo Villani - „Tapferkeit ist leider kein erbliches Gut . . . 
O wenn dir nur auf dem Gipfel der Alpen Vater und Großvater begegnen würden! 
Nach so langer Zeit, würden sie dir sagen, bist du endlich in Italiens Gefilde hinab¬ 
gestiegen und nun hast du dich so schnell als möglich wieder aus dem Staub gemacht. 
Zwei Kronen, die eiserne und die goldene, bringst du heim, aber nickt mit Ruhm, 
sondern mit dem leeren Namen eines Kaisers. Du wirst Dich hinfort Kaiser heißen 
lassen, in Wahrheit aber nur Böhmenkönig fein." So ruft ihm Petrarca nach. 
Doch Erneuerung der Kaiserpolitik Heinrichs VII. wäre der unglücklichste und 
unfruchtbarste Gedanke gewesen, den um die Mitte des 14. Jahrhunderts ein deutscher 
König hätte fassen können. Alle politischen Mächte der Halbinsel würden mit ver- 
emter Kraft sich die Möglichkeit ungehemmter Fortentwickelung zurückerkämpft haben. 
/ 
X Deutsche Königspolitik. In seiner Königspolitik dachte Karl 
nicht an eine Unterdrückung oder gar Beseitigung des Territorialfürstentums 
mit Hilfe des Bürgertums und des Reichsadels; ein solches Unternehmen 
würde ihn in unabsehbare Kämpfe verwickelt haben. Er erkannte vielmehr 
an, was seit dem Interregnum sich zum Reichsrecht entwickelt hatte, und 
suchte den tatsächlich gewordenen Verhältnissen gesetzliche Gültigkeit zu geben, 
strittige Fragen aber zu regeln. Das geschah durch eine Mehrzahl von 
Reichsgesetzen, welche auf den Reichstagen zu Nürnberg und Metz 1355—56 
zu stände kamen und in der goldenen Bulle niedergelegt sind. 
Die goldene Bulle hatte sich vor allem mit der Königswahl zu beschäftigen. 
Die Wahl sollte unter Leitung des Erzbischoss von Mainz in Frankfurt erfolgen, die 
Krönung in Aachen durch den Erzbifchof von Köln. Das Kollegium von ausschließlich 
zur Königswahl berechtigten Fürsten ward anerkannt. Der Streit überdieAus- 
Übung der Kurstimmen wurde endgültig dahin entschieden, daß dieselben von 
Mainz, Trier und Köln, Böhmen, Pfalz, Sachsen-Wittenberg und Brandenburg ge- 
führt, Bayern und Sachsen-Lauenburg also vom Kurfürstenkollegium ausgeschlossen sein 
sollten. Mit Rücksicht aus das Doppelkönigtum Ludwigs des Bayeru 
und Friedrichs des Schönen wurde festgesetzt, daß der von der Mehrheit 
Gewählte rechtmäßiger König sein solle; es wurde also das bisher nicht anerkannte 
Recht der Stimmenmehrheit eingeführt. Um einer Teilung der Kurstimmen vorzn- 
beugen, sollten die Kurländer unteilbar sein und nach dem Rechte der Erstgeburt ver- 
erbt.werden. Des vom Papste beanspruchten Rechtes, die Königswahl zu 
bestätigen und bei Erledigung des Kaisertums die Reichsverwesung in Italien 
zu führen, ward mit keinem Worte gedacht; es war ein Stillschweigen im Sinne der 
Erklärung von Rense. Dagegen wurde für die Dauer der Erledigung des deutschen 
Königtums das Recht der Reichsverwesung im Süden und Westen Deutschlands dem 
rheinischen Pfalzgrafen, im Norden und Osten dem Herzog von Sachsen-Wittenberg 
zugesprochen. 
; ®en Kurfürsten wurde eine privilegiert e Stellung, vor allem die volle 
Gerichtshoheit zuerkannt; die Eingesessenen des Kurfürstentums sollten weder vor das 
königliche Hofgericht noch vor ein anderes Reichs- oder Landesgericht gezogen werden 
Döberl, Lehrbuch der Geschichte II. 13
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.