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summen. „Mit der Krone, die er ohne Schwertstreich erlangt, mit gefülltem Beutel,
den er leer nach Italien gebracht, mit der Schande, die kaiserliche Majestät erniedrigt
zu haben, ist Karl nach Deutschland zurückgekehrt," sagt der zeitgenössische, florentinische
Geschichtschreiber Ma tteo Villani - „Tapferkeit ist leider kein erbliches Gut . . .
O wenn dir nur auf dem Gipfel der Alpen Vater und Großvater begegnen würden!
Nach so langer Zeit, würden sie dir sagen, bist du endlich in Italiens Gefilde hinab¬
gestiegen und nun hast du dich so schnell als möglich wieder aus dem Staub gemacht.
Zwei Kronen, die eiserne und die goldene, bringst du heim, aber nickt mit Ruhm,
sondern mit dem leeren Namen eines Kaisers. Du wirst Dich hinfort Kaiser heißen
lassen, in Wahrheit aber nur Böhmenkönig fein." So ruft ihm Petrarca nach.
Doch Erneuerung der Kaiserpolitik Heinrichs VII. wäre der unglücklichste und
unfruchtbarste Gedanke gewesen, den um die Mitte des 14. Jahrhunderts ein deutscher
König hätte fassen können. Alle politischen Mächte der Halbinsel würden mit ver-
emter Kraft sich die Möglichkeit ungehemmter Fortentwickelung zurückerkämpft haben.
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X Deutsche Königspolitik. In seiner Königspolitik dachte Karl
nicht an eine Unterdrückung oder gar Beseitigung des Territorialfürstentums
mit Hilfe des Bürgertums und des Reichsadels; ein solches Unternehmen
würde ihn in unabsehbare Kämpfe verwickelt haben. Er erkannte vielmehr
an, was seit dem Interregnum sich zum Reichsrecht entwickelt hatte, und
suchte den tatsächlich gewordenen Verhältnissen gesetzliche Gültigkeit zu geben,
strittige Fragen aber zu regeln. Das geschah durch eine Mehrzahl von
Reichsgesetzen, welche auf den Reichstagen zu Nürnberg und Metz 1355—56
zu stände kamen und in der goldenen Bulle niedergelegt sind.
Die goldene Bulle hatte sich vor allem mit der Königswahl zu beschäftigen.
Die Wahl sollte unter Leitung des Erzbischoss von Mainz in Frankfurt erfolgen, die
Krönung in Aachen durch den Erzbifchof von Köln. Das Kollegium von ausschließlich
zur Königswahl berechtigten Fürsten ward anerkannt. Der Streit überdieAus-
Übung der Kurstimmen wurde endgültig dahin entschieden, daß dieselben von
Mainz, Trier und Köln, Böhmen, Pfalz, Sachsen-Wittenberg und Brandenburg ge-
führt, Bayern und Sachsen-Lauenburg also vom Kurfürstenkollegium ausgeschlossen sein
sollten. Mit Rücksicht aus das Doppelkönigtum Ludwigs des Bayeru
und Friedrichs des Schönen wurde festgesetzt, daß der von der Mehrheit
Gewählte rechtmäßiger König sein solle; es wurde also das bisher nicht anerkannte
Recht der Stimmenmehrheit eingeführt. Um einer Teilung der Kurstimmen vorzn-
beugen, sollten die Kurländer unteilbar sein und nach dem Rechte der Erstgeburt ver-
erbt.werden. Des vom Papste beanspruchten Rechtes, die Königswahl zu
bestätigen und bei Erledigung des Kaisertums die Reichsverwesung in Italien
zu führen, ward mit keinem Worte gedacht; es war ein Stillschweigen im Sinne der
Erklärung von Rense. Dagegen wurde für die Dauer der Erledigung des deutschen
Königtums das Recht der Reichsverwesung im Süden und Westen Deutschlands dem
rheinischen Pfalzgrafen, im Norden und Osten dem Herzog von Sachsen-Wittenberg
zugesprochen.
; ®en Kurfürsten wurde eine privilegiert e Stellung, vor allem die volle
Gerichtshoheit zuerkannt; die Eingesessenen des Kurfürstentums sollten weder vor das
königliche Hofgericht noch vor ein anderes Reichs- oder Landesgericht gezogen werden
Döberl, Lehrbuch der Geschichte II. 13