107
Das Haus der Capetinger verfolgte sein Ziel, die Macht der Krone
zu mehren, die Vasallenmacht zu schwächen, mit strenger Konsequenz.
Vereinigung der Grafschaften Toulouse, Poitou, Auvergne, Nord-Provence
mit der Krone durch Philipp III. 1271. Ihre höchste, fast unumschränkte
Macht erreichte die Dynastie mit Philipp IV. dem Schönen (1285—
1314), der, ähnlich wie Kaiser Friedrich II. in Sizilien, dem Feudalstaate
und der Hierarchie gegenüber schon die Grundgedanken des modernen
Staates durchfocht; ein gewaltsam rücksichtsloser Charakter. Hebung
des Bürgerstande», der neben Geistlichkeit und Adel 1302 und 1303 auf
den Reichstagen zur Vertretung kommt; siegreiche Bekämpfung der päpst¬
lichen Suprematie gegen Bonifacius VIII. (s. S. 88); Unterdrückung
des fast autonomen und reichbegüterten Templerordens (s. S. 81).
Unter dem Hause Valois (1328—1589) beginnt der überhundert-
jähriga, wenn auch öfter unterbrochene englisch-französische Krieg zu¬
nächst durch die Ansprüche Eduards HI. von England (Enkel Philipps IV.
durch dessen Tochter Isabella) auf den französischen Thron veranlafst.
Widerwillen der französischen Pairs und Barone gegen die Herrschaft
eines Engländers; ihr Festhalten an der lex salica. Die blutigen Siege
der Engländer bei Crecy 1346 (s. o. S. 91) und Poitiers (der schwarze
Prinz) 1356; — der Friede von Bretigny 1360 übertrug ein Dritteil
Frankreichs an Eduard III. gegen den Verzicht auf die französische
Krone. Niederlage der Franzosen bei Azincourt 1415. Der tiefste Fall
und die glorreichste Errettung der französischen Königsmacht und des
durch Parteiungen geschwächten Landgs unter Karl VII. (1422—1461).
Herzog Philipp der Gute von Burgund, der erste Pair des Reichs
(s. o. S. 102), aus Privatrache mit England im Bunde, kämpft für die
französische Thronfolge des 9 Monate alten Heinrich VI. von England,
der in Nordfrankreich anerkannt wird. Die Franzosen erhoffen allein
von der Verbindung mit dem politisch entwickelteren England eine Sicher¬
stellung der oft bedrohten und mühsam geschützten ständischen und
städtischen Gerechtsame. — Karl wird hinter die Loire zurückgedrängt,
Orleans 1428 belagert.
Beginnender Umschwung unter den Grofsen des Landes und in der
Hauptstadt Paris zu Gunsten des einheimischen Königshauses. — Die
eigentliche Rettung geschah durch die Vaterlandsliebe und den Glauben
der Jeanne d'Arc aus Dom Remy, welche die nationale und religiöse
Begeisterung wach rief, dem schwachen König Selbstvertrauen ein¬
hauchte, den Hader der Parteien überwand. Entsatz von Orleans 1429,
Karls Krönung zu Rheims; der Jungfrau Gefangenschaft und Prozefs;
ihr Märtyrertod 1431 in Rouen. Nachwirkungen ihrer grofsen Er¬
scheinung und ihres Todes auf den Siegesmut des Volkes. Karls Friede
mit dem Herzog von Burgund unter grofsen Opfern 1435; Unterwerfung
von Paris 1436. Nach einem fünfjährigen Waffenstillstände neue Er¬
folge Frankreichs und Ende des englischen Krieges durch Talbots Nieder¬
lage und Tod bei Castillon 1453; nur Calais bleibt schliefslich in den
Händen der Engländer (s. HI. T., S. 47).