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Praetextatus durch gedungene Mörder tobten, räumte auch die übrigen Söhne Chilpe-
perich's aus dem Wege, um ihrem Sohne Chlothar das Reich zu sichern, und ließ alle,
die ihr im Wege standen, martern, blenden und hinrichten. Unterdessen regierte in
Austrasien Brunhild und brachte auch nach dem Tode Guntram's, Burgund an Austra-
sien 593. Als aber ihr Sohn Childebert schon 596 starb und zwei Söhne hinterließ,
fo erhielt der ältere Theodebert II. Austrasien, wo Brunhild die Regierung als Vor-
münderin fortbehielt, der jüngere Theoderich II. erhielt Burgund. Diese Theilung ver-
anlaßte Fredegunde zum Kriege wider Brunhild, und sie siegte, starb aber schon im
folgenden Jahre. Ihr Geliebter Landerich übernahm die Aufsicht über ihren Sohn
Chlothar, der aber einen großen Theil feines Landes verlor. Aber auch Brunhildens
Enkel entzweiten sich, da Brunhild, durch den Haß der austrasifchen Großen ge-
zwungen, nach Burgund fliehen mußte. In dem Bruderkriege wurde Theodebert II.
von Austrasien geschlagen, gefangen und fammt feinen Söhnen auf Betrieb seiner
Großmutter getödtet 612. Darauf vereinigte Theoderich II. Burgund und Austrasien
und dachte fchon daran, das ganze Frankenreich in feine Gewalt zu bringen, als er starb.
513. Brunhild wollte nun das Reich ihrem Urenkel Sigbert, dem ältesten der vier
Söhne, welche Theoberich - mit feinen Buhlerinnen erzeugt hatte, erhalten. Aber die
austrasifchen Großen, an ihrer Spitze Pippin von Landen und Arnulf, Bischof
von Metz, waren der Herrschaft eines Weibes überdrüssig und trugen dem Könige
Chlothar II. von Neustrien die Regierung an. Brunhild sammelte ein Heer, um mit
Waffengewalt ihre Rechte zu behaupten. Allein burch ben burgunbischen Hausmeier
Warnachar, dem die Konigin nach dem Leben getrachtet hatte, bewogerk, zogen die
burgundischen und deutschen Truppen, als die Heere sich einander näherten, plötzlich ab.
So wurde Fredegundens Sohn Clothar II. ohne Schwertstreich Alleinherrfcher. Von
Brunhildens Urenkeln entkam einer auf der Flucht, zwei wurden fogleich getödtet und
einer starb im Gefängnis; über Brunhild sprach eine Versammlung der Franken das
Todesurtheil aus. Chlothar ließ sie drei Tage lang martern, dann auf einem Kameel
zur Schau im Lager herumführen und sie zuletzt mit einem Arme und einem Beine
an den Schweif eines wilden Pferdes binden und zu Tode schleifen. Chlothar regierte
bis 628.
Chlothar's Nachkommen waren weichliche und „faule Könige", fo baß die Großen
des Reichs immer mehr Vorrechte an sich rissen und der aus ihrer Mitte gewählte
Hausmeier (Major domus), welcher eigentlich nur die Verwaltung der königlichen
Besitzungen und die Aussicht über das Dienstgefolge hatte, allmählich die Regierungs-
gewatt und die Führung des Heeres erhielt. Es ist darum hier der Ort, die innere
Einrichtung des Frankenreiches kurz zu betrachten.
Seit der Völkerwanderung, in der die Deutschen in ehemaligen römischen Pro-
vinzen sich niederließen, veränderte sich wesentlich ihr gesummtes staatliches Leben.
Anknüpfend an die altgermanifche Einrichtung des Gefolgfchastswefens bildete sich vor
allem bei den Franken und durch ihren Einfluß auch bei den übrigen deutschen Stämmen
das Lehnswesen^aus. Das eroberte Land theilte der König mit seinem Gefolge,
jeder erhielt als freies Erbeigenthum ein Los, Allodium. Der Antheil des Königs
war verhältnismäßig der größte; davon verlieh er einzelnen Getreuen (fideles) feines
Gefolges für besondere Heer- oder Hofdienste etwas zu lebenslänglicher Nutznießung,
dies hieß ein Lehn (feudum, beneficium). Die Inhaber solcher Lehnsgüter hießen
im allgemeinen Vasallen; waren sie durch die Lehen zu persönlichen Hofdiensten
verpflichtet, so wurden sie Ministerialen genannt. Da der Lehnsherr seinen Lehns-
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