§ 9. Die Franken u. die merowingische Staatsgründung bis zu den Pippiniden. 37
erhielt der König, ein Drittel der Graf. — Bezüglich der Gesetze war der
König an die bestehenden gebunden; dagegen bildete sich aus der könig-
lichen Polizeigewalt das königliche Verordnungsrecht, und die
praecepta regis hatten für die Zeit seiner Regierung Gesetzeskraft. Ihre
Sammlung bildet den Anfang der später so wichtigen Gesetzsammlungen der
„Kapitularj&a^LCjL^- 54).
D^rHeerb ann steht allein dem Könige zu; er beschließt, ohne jeman-Das Heerwesen
den zu befragen, über Krieg und Frieden, und alle waffenfähigen
Freien müssen ihm folgen; er bestraft den Säumigen und den, der zu früh
das Feld verläßt (harisliz). Die Gaugrafen sind die natürlichen Führer
ihrer Kontingente. Für die Heeresfolge gibt es keinen Sold, son-
den: Raub im Feindeslande und Teilung der Beute bilden die Entschädigung.
Durch die großen Landschenkungen, mit denen die Könige ihre Ständisches und
Mitstreiter und Gehilfen belohnten, entwickelte sich ein germanischer 11 Leben. e
Großgrundbesitz, der eine vollständige Verschiebung der wirtschaftlichen
Verhältnisse und eine Änderung der bisherigen fränkifch-germanischen Stände-
ordnung herbeiführte. Es^entstand ein neuer, auf dem Landbesitz be¬
ruhender Adel, der init dem altgermanischen nichts mehr gemein hatte,
und zu dem auch die Bischöfe, die begüterten Romanen sena-
torischer Abstammung und die königlichen Beamten als Dienst-
adel gerechnet wurden. Dieser Adel bemühte sich mit Erfolg, für seinen
Grundbesitz das Vorrecht der Abgabenfreiheit und die Loslösung von der
Grafschaftsverwaltung, sog. Immunitäten, zu erreichen. Die Vorteile
des neuen Eigenbesitzes wurden zunächst auch allen Freien zuteil:
ein jeder erhält seinen Anteil an der Dorfflur (Hufe, gemeiniglich 71/2 ha
groß) als persönliches, erbliches Eigentum und die Berechtigung zur Nutz-
nießung an der gemeinen Mark, auch Allmende genannt (Weide,
Wasser, Wald- und Wiesengebiet). Aber da sich das Familiengut im Ver-
lauf weniger Generationen durch Erbteilungen stark verringerte und höchstens
im waldreichen Osten durch Rodung noch eigne Hufen zu gewinnen waren,
so fingen besitzlose Freie an, sich von größeren Grundbesitzern eine Hufe zu
„Id&ett". (Benefizialwesen) oder auch in Anlehnung an das keltisch-
römische Klientelverhältnis der Vasallität (von gwas = Knecht) in eine
fremde Grundherrschäft^inzutreten. Diese Zeit- oder Erbpächter (Zins-
bauern) blieben zwar anfangs frei, doch bildete sich durch die sachliche Ab-
hängigkeit von den Grundherren (senior, seigneur) mit der zunehmenden
Selbständigkeit dem Staate gegenüber eine Beeinträchtigung der persönlichen
und staatlichen Stellung dieser „Hintersassen" aus. Nicht selten kam es vor,
daß freie Besitzer, um sich Schutz zu verschaffen oder des Kriegsdienstes ledig
zu werden, 'ihr Eigentum einem Grundherrn (oder der Kirche) übergaben und
es als erbliches Zinsgut zurücknahmen, wodurch sie zu „Halbfreien"
(Grundholden) wurden.
Während Gallien in der römischen Kaiserzeit zu höherer wirtschaftlicher
Blüte gediehen und die städtische Kultur mit der Geldwirtschaft zum
Siege gelangt war, begründete sich nach den zerstörenden Stürmen der Völker-
Wanderung, in denen der Wohlstand vernichtet und das Edelmetall fast aus-
gerottet worden war, die Kultur in der Merowingerzeit wieder auf dem