Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Abt. 4)

§ 25- Geistesleben in Deutschland. 
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Schwulst der 2. schlesischen Dichterschule setzen Männer 
wie Christian Weise Einfachheit und Natürlichkeit ent¬ 
gegen (freilich auch in Wässerigkeit verfallend — die 
,,Wasserpoeten“), e) Ein Dichter wie Günther stimmt 
zum ersten Male wieder wärmere Herzenstöne an, ein 
Grimmelshausen schreibt einen volkstümlichen Roman 
„Der abenteuerliche Simplicius“ (gew. Simpli- 
cissimus genannt), der die schreckliche Zeit des grauen¬ 
vollen Krieges mit Naturwahrheit seinen Zeitgenossen vor 
Augen führt. Die geistliche Dichtung bewahrt sich 
noch etwas von der Herzensinnigkeit der früheren Zeit, wie 
bei dem Jesuiten Spee (Trutznachtigall) und dem Mystiker 
Angelus Silesius (Johann Scheffler, später zur katho¬ 
lischen Kirche übergetreten) und erreicht in Paul Gerhard 
sogar noch einen Höhepunkt. 
II. Zweite Stufe. Freiere Geistesregungen mit dem 
Aufgang Preussens zusammenfallend, a) Die englisch-franzö¬ 
sischen Aufklärungsgedanken finden hier empfänglichen 
Boden. Am Hofe Sophie Charlottens streiten Frei¬ 
denker mit orthodoxen Geistlichen und verkehrt vor allem der 
grosse Leibn iz (s. § 21, I. 3). b) In Berlin wird eine Aka¬ 
demie der Künste und eine „Sozietät der Wissen¬ 
schaften“ gegründet (§ 14, VI. 3 b). c) In der vom Kur¬ 
fürsten Friedrich III. gestifteten Universität Halle lehrt ein 
Thomasius in deutscher Sprache und kämpft gegen Hexenpro¬ 
zesse (§ 14, VI. 3 a). d) Gegenüber der engherzigen Glaubens¬ 
richterei zünftiger Theologen öffnen die Pietisten (Spener und 
Francke) die Gemüter wieder der Herzensfrömmigkeit, die 
sich auch in Werken thätiger Nächstenliebe wirksam erweist 
(Stiftung des Halleschen Waisenhauses durch Francke, 
Wirken der vom Grafen Zinzendorf gestifteten Herren- 
huter Gemeinde). e) Unter dem Einfluss dieser Geistes- 
stromung findet die Musik den ergreifendsten Ausdruck für 
tiefe Seelenbewegungen und erhebt die Gemüter zu Gott in 
den Tonwerken eines Sebastian Bach und eines Fried- 
rich Händel, f) Auch die bildende Kunst bringt einen 
Meister wie Schlüter (Baumeister Friedrichs III zu¬ 
gleich Bildhauer; s. § 14, VI, 3 c.) hervor, g) Man sucht die 
r esse ln der Unnatur abzustreifen. Der Drang, sich aus un¬ 
natürlichen Zuständen in ein reines Naturleben zu flüchten, 
verschafft den Robinsonaden, Nachahmungen eines von 
em englischen Freidenker De Foe herausgegebenen 
Komans, die weiteste Verbreitung. Das Ideal einer reinen
	        
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