Metadata: Die alten Deutschen während der Urzeit und Völkerwanderung

8. Vom Glauben und Götterdienst der alten Deutschen. 53 
immerfort weinend. Sie fand den Treulosen nicht. Ihre 
Thränen aber wurden zu Gold; daher wurde sie selbst die 
Thränenschöne genannt. Der schönste Baum, die Linde, und 
das zierlichste Tier, die Katze, waren ihr geheiligt; ein Katzen- 
par zog ihren Wagen. Oft aber ritt sie auch auf einem 
herrlichen Rosse, denn sie liebte den fröhlichen Kampf der 
Männer und war die oberste der Walküren. In manchen 
deutschen Gegenden nannte man sie Holda, die holde, freund¬ 
liche. Gern hauste sie in Seen und Brunnen. Um Mitter¬ 
nacht im Mondenschein sahen manche die wunderschöne Göttin 
aus der Flut tauchen und sich am Bade ergötzen. Tief unter 
dem Wasser liegt ihr herrlicher Palast, in dem sie mit den 
Seelen der noch ungeborenen Kindlein scherzt. Daher rührt 
der Kinderglaube, daß der Storch, der heilige Vogel der 
Freia, die kleinen Erdenbürger aus Brunnen oder Teichen 
hole. Holda erscheint ferner als besondre Schützerin der weib¬ 
lichen Künste des Spinnens und Webens. Fleißige werden 
von ihr belohnt, Faule bestraft. Beides thut sie noch in 
dem Märchen von Frau Holle d. i. Holda, wo freilich die 
blühende Göttin zu einem alten Mütterchen zusammen¬ 
geschrumpft ist. Einige Gegenden verehrten die Freia unter 
dem Namen Berchtha d. h. die Leuchtende. Man glaubte, 
sie habe die Aufsicht über die Seelen der jung gestorbenen 
Menschenkinder. Als eine hehre, große Frau schwebt sie einer 
zahlreichen Schar von Kindern voran, die einen goldenen 
Pflug mit sich führen; denn der Pflug ist Freias heiliges 
Gerät. Das finstre Gegenbild zu diesen schönen, lichten 
Göttinnen bildet die unerbittliche Beherrscherin der Unterwelt 
Hella, in deren Behausung die Seelen derer hinabfahren, 
die nicht an Wunden gestorben sind. Sie ist eine Tochter 
des schlimmen Loke; ihr Saal heißt Elend, ihr Knecht Träge, 
ihre Schüssel Hunger, ihr Messer unersättliche Gier. Was 
sie einmal festhält, läßt sie nicht mehr los; Barmherzigkeit 
kennt sie nicht. Hellas Name ging von ihr selbst auf ihre 
Wohnung über, und daher stammt das Wort Hölle. 
Hella ist nicht die einzige Erbschaft, die Loke der Welt 
vermacht hat. Zu seinen Kindern gehört auch die ungeheure
	        
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