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Der Wiener Kongreß und die Herrschaft der Hundert Tage.
§82.
Die Gebiets- Zunächst galt es, die Grenzen der europäischen Staaten neu zu regeln,
fragen. Österreich gab endgültig seine oberdeutschen und belgischen Gebiete auf
und verlor dadurch die Verbindung mit Westdeutschland, erwarb aber
zu seinem Besitzstande von 1792 namentlich Salzburg und Venezien
und erhielt dadurch eine vorteilhafte Abrnndnng. Mit Venezien und der
Lombardei sowie seinen Sekuudogenituren Toskana und Modena ge-
wann es überdies die beherrschende Stellung auf der Apenninhalbinsel.
Die süddeutschen Staaten behielten im wesentlichen den Umfang, den
ihnen Napoleon gegeben hatte; Hannover wurde durch preußisches Gebiet
(Ostfriesland, Goslar und Hildesheim) vergrößert und zum Königreich er-
hoben. Die meiste Schwierigkeit machte die Wiederherstellung Preußens,
ja es kam hierüber zu so ernsten Zerwürfnissen, daß ein Krieg auszu-
brechen drohte. Einerseits wünschte Kaiser Alexander ganz Polen mit
Rußland zn vereinigen, andrerseits widersetzten sich Österreich, England
und Frankreich der Annexion Sachsens, die Preußen als Entschädigung
dafür verlangte. Nach langen Verhandlungen einigte man sich dahin, daß
Preußen von seinen polnischen Besitzungen, die es im Tilsiter Frieden
verloren hatte, nur die heutige Provinz Posen nebst Danzig und Thorn
zurückempfing und so die natürliche Verbindung zwischen Ostpreußen und
Schlesien gewann. Außerdem erhielt es Schwedisch-Pommern (mit Rügen),
den Norden Sachsens nebst dem Thüringer Kreise und zu den früheren West-
deutschen Besitzungen das Herzogtum Westfalen und säkularisierte Gebiete
am Niederrheiu, z. B. die Erzbistümer Cöln und Trier, ferner Jülich und
Berg sowie zahlreiche kleinere rheinische Gebiete, n. a. die Grafschaften
Wied, Sayn und Solms, auch die frühere Reichsstadt Wetzlar. Mainz
fiel jedoch an das Großherzogtum Hessen, das Fürstentum Birkenfeld an
das weit entfernte Oldenburg und St. Wendel als Fürstentum Lichtenberg
an das nicht minder entlegene Sachfen-Koburg, während Ansbach und
Bayreuth bei Bayern verblieben. Der Preußische Staat zerfiel fortan in
zwei durch Hannover, Braunschweig und das Kurfürstentum Hessen (Cassel)
voneinander getrennte Teile, einen größeren östlichen und einen kleineren west-
liehen (bie heutigen Provinzen Westfalen und Rheinland). Preußen erhielt
nicht ganz die Größe und Einwohnerzahl zurück, die es vor 1806 gehabt
hatte, obwohl es in dem Befreiungskriege das meiste geleistet hatte, war
aber wieder ein fast rein deutscher Staat geworden, in welchem die Polen
nur eilten kleinen Teil der Bevölkerung bildeten, und hatte eine große
nationale Aufgabe erhalten, da ihm zugleich die Wacht im Osten wie die
am Rheine zufiel. Sachsen blieb mit verkleinertem Gebiete bestehen, wah-
rend Polen als Königreich mit Rußland — ebenso wie das bisher dänische
Norwegen mit Schweden — durch Personalunion vereinigt wurde, ^u den
übrigen Ländern Europas wurden die vertriebenen Herrscher wieder em-
gesetzt. Papst Pius VII. stellte den Jesuitenorden, König Ferdinand V II.
von Spanien die (1808 aufgehobene) Inquisition wieder her. Neu gebildet
wurde ein Königreich der Niederlande (unter Wilhelm I. ans dem Hause
Orauien), das die heutigen Niederlande und Belgien umfaßte.