Full text: Die wichtigsten Begebenheiten der Neuzeit, insbesondere der preußisch-deutschen Geschichte seit 1648 (Teil 6)

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Der Wiener Kongreß und die Herrschaft der Hundert Tage. 
§82. 
Die Gebiets- Zunächst galt es, die Grenzen der europäischen Staaten neu zu regeln, 
fragen. Österreich gab endgültig seine oberdeutschen und belgischen Gebiete auf 
und verlor dadurch die Verbindung mit Westdeutschland, erwarb aber 
zu seinem Besitzstande von 1792 namentlich Salzburg und Venezien 
und erhielt dadurch eine vorteilhafte Abrnndnng. Mit Venezien und der 
Lombardei sowie seinen Sekuudogenituren Toskana und Modena ge- 
wann es überdies die beherrschende Stellung auf der Apenninhalbinsel. 
Die süddeutschen Staaten behielten im wesentlichen den Umfang, den 
ihnen Napoleon gegeben hatte; Hannover wurde durch preußisches Gebiet 
(Ostfriesland, Goslar und Hildesheim) vergrößert und zum Königreich er- 
hoben. Die meiste Schwierigkeit machte die Wiederherstellung Preußens, 
ja es kam hierüber zu so ernsten Zerwürfnissen, daß ein Krieg auszu- 
brechen drohte. Einerseits wünschte Kaiser Alexander ganz Polen mit 
Rußland zn vereinigen, andrerseits widersetzten sich Österreich, England 
und Frankreich der Annexion Sachsens, die Preußen als Entschädigung 
dafür verlangte. Nach langen Verhandlungen einigte man sich dahin, daß 
Preußen von seinen polnischen Besitzungen, die es im Tilsiter Frieden 
verloren hatte, nur die heutige Provinz Posen nebst Danzig und Thorn 
zurückempfing und so die natürliche Verbindung zwischen Ostpreußen und 
Schlesien gewann. Außerdem erhielt es Schwedisch-Pommern (mit Rügen), 
den Norden Sachsens nebst dem Thüringer Kreise und zu den früheren West- 
deutschen Besitzungen das Herzogtum Westfalen und säkularisierte Gebiete 
am Niederrheiu, z. B. die Erzbistümer Cöln und Trier, ferner Jülich und 
Berg sowie zahlreiche kleinere rheinische Gebiete, n. a. die Grafschaften 
Wied, Sayn und Solms, auch die frühere Reichsstadt Wetzlar. Mainz 
fiel jedoch an das Großherzogtum Hessen, das Fürstentum Birkenfeld an 
das weit entfernte Oldenburg und St. Wendel als Fürstentum Lichtenberg 
an das nicht minder entlegene Sachfen-Koburg, während Ansbach und 
Bayreuth bei Bayern verblieben. Der Preußische Staat zerfiel fortan in 
zwei durch Hannover, Braunschweig und das Kurfürstentum Hessen (Cassel) 
voneinander getrennte Teile, einen größeren östlichen und einen kleineren west- 
liehen (bie heutigen Provinzen Westfalen und Rheinland). Preußen erhielt 
nicht ganz die Größe und Einwohnerzahl zurück, die es vor 1806 gehabt 
hatte, obwohl es in dem Befreiungskriege das meiste geleistet hatte, war 
aber wieder ein fast rein deutscher Staat geworden, in welchem die Polen 
nur eilten kleinen Teil der Bevölkerung bildeten, und hatte eine große 
nationale Aufgabe erhalten, da ihm zugleich die Wacht im Osten wie die 
am Rheine zufiel. Sachsen blieb mit verkleinertem Gebiete bestehen, wah- 
rend Polen als Königreich mit Rußland — ebenso wie das bisher dänische 
Norwegen mit Schweden — durch Personalunion vereinigt wurde, ^u den 
übrigen Ländern Europas wurden die vertriebenen Herrscher wieder em- 
gesetzt. Papst Pius VII. stellte den Jesuitenorden, König Ferdinand V II. 
von Spanien die (1808 aufgehobene) Inquisition wieder her. Neu gebildet 
wurde ein Königreich der Niederlande (unter Wilhelm I. ans dem Hause 
Orauien), das die heutigen Niederlande und Belgien umfaßte.
	        
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