Die kirchlichen Angelegenheiten.
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§ 15. Die kirchlichen Angelegenheiten. Ludwig XIV. unterwarf sich
den Lehren und Vorschriften der katholischen Kirche, forderte jedoch, daß
das Anrecht der Krone auf die Einkünfte der Bistümer während ihrer
Erledigung erweitert werde. Als hierüber ein heftiger Streit mit der
Kurie ausbrach, berief er ein französisches Nationalkonzil. Unter den
vier Beschlüssen, die hier über die Freiheiten der gallikanischen Kirche gefaßt
wurden, war der wichtigste, daß die weltliche Gewalt von allen Eingriffen
der geistlichen unabhängig sei. Sie blieben indessen ohne Bedeutung, da
der Papst ihnen nachdrücklichen Widerstand entgegensetzte und Ludwig
nichts zu ihrer Durchführung zu tun wagte.
Der Jansenismus, eine theologische Denkweise, die sich auf ein 3<mfems>
von der Kirche als ketzerisch verbotenes Buch (Augustinus) des nieder¬
ländischen Bischofs Jansen gründete und in Frankreich besonders in dem
Nonnenkloster Port Royal (bei Versailles) und in der Gelehrtenwelt lPaseal)
Anhänger gefunden hatte, wurde nach anfänglicher Duldung verdammt
und verfolgt; jenes Kloster wurde aufgehoben und zerstört, die wegen ihres
strengen Lebens und ihrer Wohltätigkeit hochangesehenen Nonnen verweben.
Wie die weltlichen Angelegenheiten seiner Untertanen wollte Ludwig XIV. Di-^sug-
öucH ihre religiösen aus königlicher Machtvollkommenheit regeln: alle Fran-
zosen sollten das kirchliche Bekenntnis des Staatsoberhauptes teilen. Darum
entzog er den Hugenotten von Beginn seiner Regierung an die Duldung,
die sie bisher genossen hatten, gestattete vielmehr, daß man mit allen
Mitteln darauf hinwirkte, sie der katholischen Kirche wieder zuzuführen.
Anfänglich ging man durch Zurücksetzung im Zivil- und Militärdienst,
Vertreibung aus Paris, von Jahr zu Jahr verschärfte Bedrückungen und
selbst militärische Zwangsmittel (Dragonaden) gegen sie vor. Schließlich
hob der König, namentlich unter dem Einflüsse seines Beichtvaters, des
Jesuitenpaters Lachaise*, das Edikt von Nantes auf und raubte ihnen
damit das Recht der freien Religionsübung, das ihnen sein duldsamer
und in dieser Hinsicht politisch weitsichtigerer Großvater Heinrich IV. ein¬
geräumt hatte. Deun infolge jener Maßregel Ludwigs wanderten trotz
der strengsten Verbote und größten Schwierigkeiten Hunderttausende vou
Hugenotten (»Hefagies«) ins Ausland und führten hier nicht nur dem
Hasse, der sich allmählich gegen den König angesammelt hatte, neue Nahrung
zu, sondern verpflanzten auch die berühmten französischen Industrien, wie
die Leinen-, Seiden- und Gobelinweberei, und schufen dadurch dem Ge¬
werbe des Mutterlandes, auf dem bisher zum großen Teil sein Wohlstand
beruht hatte, einen gefährlichen Wettbewerb.
C. Die Begründung der österreichisch-ungarischen Großmacht.
Unter den größeren Mächten Europas war in der Mitte des 17. Jahrhunderts
die österreichische die kleinste. Sie nmsaßte die Herzogtümer Osterreich, Steier-
mark, Kärnten, Kram, Tirol, das Königreich Böhmen mit Mähren und Schlesien,
die Vorlande in Schwaben unb ben schmalen westlichen Streifen von Ungarn.
i Nach ihm heißt noch jetzt der berühmte Friedhof »Pere Lachaise« in Paris.