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Übergang zur Neuzeit.
burgisch-burgundisch-spanische Macht in einer Hand vereinigt ist, wird
der Kampf gegen sie zu einer Lebensfrage für Frankreich. Aus diesen
Kämpfen sind die romanischen und germanischen Staaten des heutigen
Europas hervorgegangen.
Im 15. und 16. Jahrhundert ist Italien der Schauplatz dieser Kämpfe,
das Reich nimmt daran nicht teil, wohl aber der Kaiser.
§ 92. Entwicklung Frankreichs im Mittelalter. Frankreich ist aus
dem West fr ankenreich hervorgegangen; es hatte im Mittelalter die
Schelde, Maas, Saone und Rhone im Osten als Grenze.
Die französischen Könige haben das ganze Mittelalter hindurch
ebenso mit der Unbotmäßigkeit der Großen zu kämpfen wie die
Deutschen, sie erleiden mehrmals die größten Landverluste; wenn
gleichwohl am Ende des Mittelalters, als sich das Deutsche Reich
aufzulösen scheint, in Frankreich der geschlossene Einheitsstaat ge-
schaffen ist, so liegt ein Grund für diese entgegengesetzte Entwicklung der
Nachbarländer in ihrer Verfassung, in Frankreich ist die Erbmon-
archie geblieben, Deutschland ist Wahlreich geworden, jene begünstigt
die Machtentwicklung des Königtums, diese die des Fürstentums. In
Deutschland kommt die Hausmacht des Königs dem Reiche nicht zugute,
die Habsburger beginnen vielmehr das Band, das ihre Hausmacht mit
dem Reich verknüpfte, zu lockern, in Frankreich ist jede Erwerbung des
Königs, sei es durch Erbschaft, sei es durch Krieg, eine Erwerbung
des nationalen Staats.
Die politischen Interessen der Habsburger stehn oft im Gegensatz zu
denen des Reichs, in Frankreich kann der König keine Interessen haben,
die nicht Interessen des Staats sind.
Je mehr der Begriff des nationalen Staats den Franzosen zum Be-
wußtsein kam, desto entschiedener wurde die Parteinahme der Nation für
den König in seinem Kampfe gegen die Selbständigkeit der Großen; im
16. Jahrhundert genießt der König in Frankreich eine Verehrung wie
sonst kein König in irgend einem Lande Europas. Zu derselben Zeit,
wo Maximilian den Ständen die größten Rechte einräumen muß, ver-
fügt Franz I. fast unbeschränkt über die Machtmittel des französischen
Staats, über einen bedeutenden Staatsschatz, eine wohlorganisierte
Armee, in der der Adel Kriegsdienste leisten muß, er ist so mächtig,
daß er die Reichsstände nur selten einzuberufen braucht.
Frankreich unter den Kapetingern (987—1328). 987 wurde
nach dem Aussterben der Karolinger Hugo Capet, Herzog von Francien,
König, doch reichte seine und seiner Nachfolger Macht nur wenig über
die Jsle de France hinaus. Als 1066 Wilhelm von der Normandie
England erobert hatte, blieb er als Herzog französischer Vasall,
dieses Doppelverhältnis führte zu einer Reihe von Kriegen zwischen Frank-
reich und England.