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Die Deformation in Deutschland.
bisherige religiöse Bräuche zu eifern. Von ihm aufgeregt, be¬
seitigte und zerstörte das Volk die Bilder und Statuen in den
Kirchen. Um dem „Bildersturm" zu wehren, verlieh Luther,
obwohl Acht und Bann über ihn verhängt waren, seine sichere
Zufluchtsstätte und dämpfte durch die Macht seiner Predigt die
Unruhen in Wittenberg (1522), wo er seither blieb.
b) Die Erhebung der Reichsritter. Die Reichsritter-
schaft, d. h. der Teil des niederen Adels, der nur dem Kaiser
und Reich, aber keinem Fürsten unterstand, war mit seiner Lage
längst unzufrieden. Die Bedeutung und das Ansehen des ganzen
Ritterstandes war durch die Umgestaltung des Kriegswesens
gesunken, zudem sahen die Reichsritter sich von der wachsenden
Macht der Fürsten in ihrer Selbständigkeit bedroht. Viele von
ihnen schlössen sich der neuen Lehre an, darunter der leiden¬
schaftliche und feurige, die Feder wie das Schwert gleich meisternde
Humanist Ulrich von Hutten und der angesehenste unter seinen
Standesgenossen, dessen Freund Franz von Sickingen. Dieser
dachte sich auf Kosten der hohen Geistlichkeit durch die Besitz-
nähme kirchlicher Güter emporzuschwingen.
Er vertraute auf den Beistand der schwäbischen und der
rheinischen Ritterschaft, die ihn zu ihrem Hauptmann gewählt
hatten, und sagte dem Kurfürsten von Trier Fehde an. Aber
sein Angriff auf die Stadt Trier mißlang, und während der
erhoffte Zuzug seiner Freunde ausblieb, erhielt fein Gegner von
den benachbarten Fürsten Hilfe. Sickingen wurde auf feiner
Burg Landstuhl in der Pfalz eingeschlossen und starb schwer-
verwundet bei deren Fall (1523). Ulrich von Hutten flüchtete
und starb bald darauf in der Schweiz. So war der Versuch der
Reichsritterschaft an dem Zusammenhalten der rheinischen Fürsten
gescheitert.
c) Der Bauernkrieg (1525).
Die Lage des Bauernstandes. Die deutschen Bauern waren
in damaliger Zeit (s. S. 76) zum größten Teil Hörige; ihre
Abhängigkeit von dem adligen oder geistlichen Herrn äußerte sich
vor allem in den Pflichten, an bestimmten Tagen der Woche und
des Jahres unentgeltlich Dienste zu leisten (Frondienste, d. i.
Herrendienste) und als regelmäßige Abgabe einen Teil ihres
Ertrages an Früchten und Vieh abzuliefern.